Sowohl unter den Nicht-Sportlern als auch unter den Sportlern haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zunehmend Ernährungsformen verbreitet, bei welchen bewusst auf bestimmte Nahrungsmittelgruppen verzichtet werden. Dies hat unterschiedliche Gründe. So möchten manche Menschen aus moralischen Gründen keine Lebensmittel verzehren, für welche Tiere getötet wurden, während andere Leute sich damit in erster Linie gesünder ernähren wollen. Außerdem gibt es bei einem gewissen Teil der Bevölkerung bestimmte Lebensmittel-Unverträglichkeiten, wie etwa die- Gluten- oder Laktoseintoleranz. Letztere Personen müssen dann auf die entsprechenden Nahrungsmittelgruppen verzichten, um keine gravierenden Verdauungs-Probleme und andere Nebenwirkungen zu erleiden.
Im Folgenden soll ein Überblick über einige der „gängigen“ alternativen Ernährungsformen und deren Tauglichkeit im Ausdauersport gegeben werden.
Vegetarische Ernährung
Die meisten Vegetarier sind sogenannte „Ovo-Lacto-Vegetarier“, das heißt, dass sie auf Fleisch, Fisch, Schmalz, Gelatine und den roten Farbstoff E 120 (echtes Karmin) verzichten, jedoch Milchprodukte und Eier konsumieren. Laut Schätzungen ernähren sich derzeit mehr als 6 Millionen Menschen in Deutschland vegetarisch. Diese Ernährungsweise entspricht häufig eher einer gesundheitlich förderlichen Ernährung als die herkömmliche Mischkost (vgl. Leitzmann, 2005). Dies liegt allerdings auch daran, dass diese Leute sich zumeist intensiver mit dem Thema Ernährung beschäftigen als der „Otto-Normal-Verbraucher“. Generell wurde in den meisten publizierten Studien kein signifikanter Leistungsunterschied zwischen sich ovo-lacto-vegetarisch ernährenden Ausdauersportlern und solchen mit einer gewöhnlichen Mischkost festgestellt (Craddock et al, 2015).
Wenn man die Nährstoff-Aufnahme von Vegetariern unter die Lupe nimmt, fällt auf, dass sie zumeist mehr Ballaststoffe, Vitamin C, E, Kalium, Magnesium und sekundäre Pflanzenstoffe aufnehmen als Mischköstler. Geringer hingegen ist die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und häufig auch Natrium. Dies wird mit einer Vielzahl an positiven Effekten für die Gesundheit in Verbindung gebracht, wie beispielsweise einem geringenen Risiko, an „Volkskrankheiten“ wie Arteriosklerose, koronaren Herzerkrankungen oder Diabetes Mellitus zu erkranken. Auch gegen mehrere Krebs-Arten wirkt die vegetarische Ernährung protektiv. Außerdem ist der Säure-Basen-Haushalt bei Vegetariern zumeist eher in Richtung Basen verschoben, ihr Bindegewebe ist also nicht übersäuert.
Durch den Milch- und Eierkonsum nehmen Vegetarier hochwertiges tierisches Eiweiß auf, welches in Kombination mit pflanzlichen Eiweißen z. B. aus Getreide, Hülsenfrüchten, und auch Kartoffeln eine gute Proteinversorgung gewährleistet. Häufig ist die vegetarische Ernährung kohlenhydratbetont, sie lässt sich jedoch auch fett- und/oder eiweißbetont gestalten. Ein prominentes Beispiel ist Arne Gabius, der sich seit Jugendzeiten ovo-lacto-vegetarisch ernährt. Zuletzt in der Marathonvorbereitung setzte er auf eine Low-Carb-Kost und hatte damit bekannter Maßen großen Erfolg.
Problematisch bei Vegetariern kann die Versorgung mit Kreatin und Eisen sein. Während Kreatin vorwiegend im Kraft- und Schnellkraftsport von Bedeutung ist, spielt Eisen für Ausdauer-Athleten eine große Rolle. Schließlich ist dieser Mineralstoff ein Bestandteil des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin und damit für den Sauerstofftransport essenziell. Vegetarier konsumieren kein Hämeisen, das relativ gut resorbiert wird, sind stattdessen auf Nicht-Häm-Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln angewiesen. Dieses wird zu einem deutlich geringeren Anteil resorbiert, wobei die anderen Nahrungsbestandteile eine Rolle spielen. So lässt sich die Resorption durch Vitamin C und andere organische Säuren steigern, während unter anderem Phosphate, Gerbstoffe aus Tee oder Kaffee und Phytinsäure aus Vollkorn-Getreide die Resorption des pflanzlichen Eisens vermindern. Es empfiehlt sich also, Kaffee nicht zu den (eisenreichen) Mahlzeiten zu trinken, schwarzen Tee nur zwei Minuten ziehen zu lassen (so lösen sich die Gerbstoffe weniger) und Vitamin-C-Quellen bewusst mit eisenreichen Lebensmitteln zu kombinieren. Außerdem ist in Vollkornbrot mit Sauerteigführung die Phytinsäure teilweise abgebaut, sodass die Hemmung der Eisenresorption geringer ist. Generell sind die Serum-Ferritinwerte bei Vegetariern zumeist niedriger als bei Mischköstlern (vgl. bspw. Seiler et al, 1987), sodass eine Supplementierung mit Eisentabletten bei Ausdauersportlern durchaus sinnvoll sein kann. Vor allem bei Sportlerinnen, die aufgrund der erhöhten Eisenverluste über die Menstruation deutlich häufiger von einem Eisenmangel betroffen sind als ihre männlichen Kollegen.
Weitere Nährstoffe, bei denen die Versorgung von Vegetariern kritisch sein kann, sind die langkettigen Fettsäuren Eicosa-Pentaensäure und Docosa-Hexaensäure. Diese kommen vor allem in fettem Seefisch vor. Für Vegetarier wären Algen oder Algenpräparate eine geeignete Quelle; außerdem können diese Fettsäuren im Körper aus der α-Linolensäure synthetisiert werden; hierzu sollte diese jedoch in ausreichender Menge unter anderem aus Nüssen aufgenommen werden. Abschließend kann festgehalten werden, dass eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung mit Ausdauersport gut kompatibel ist; es sollten jedoch einige Hinweise berücksichtigt werden, damit die Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen gewährleistet ist.
Pesco-Vegetarier
Als „Pesco-Vegetarier“ oder auch „Semi-Vegetarier“ werden Menschen bezeichnet, die kein Fleisch, jedoch Fisch konsumieren. Durch die Aufnahme der langkettigen Omega-3-Fettsäuren über den fetten Seefisch wird die vegetarische Ernährung hiermit ernährungsphysiologisch betrachtet sinnvoll ergänzt und wird von manchen Quellen als die gesündeste Ernährungsform bezeichnet.
Veganer
Veganer hingegen konsumieren keinerlei tierische Lebensmittel, meiden neben Fisch und Fleisch also auch Milchprodukte, Eier und Honig. Hier kann es zu Mangelerscheinungen kommen. Um diesen vorzubeugen, sollte die Nahrungsmittelauswahl sehr gezielt erfolgen und die eine oder andere Nahrungsergänzung dürfte für Sportler unumgänglich sein.
So nehmen Veganer häufig zu wenig Calcium, Vitamin D, B12, K2 und Jod auf. Damit besteht unter anderem die Gefahr einer zu geringen Knochenmineralisierung, einer Schilddrüsen-Unterfunktion oder einer gestörten Blutbildung. Es empfiehlt sich für Veganer, auf angereicherte Produkte wie etwa Soja-Drinks, denen Calcium, Vitamin D und/oder Vitamin B12 zugefügt wurde, zu setzen, oder eben Supplemente in Form von Tabletten zu konsumieren. Allerdings wirkt die Kost von Veganern zumeist basisch, sodass der Knochenresorption, also dem Calcium-Entzug aus den Knochen, entgegengewirkt wird (Craig, 2009). Einige Ernährungsexperten wie Dr. Wolfgang Feil aus Tübingen oder Dr. Heike Lemberger aus Hamburg sehen die vegane Ernährungsweise kritisch; schließlich könne eine Ernährung, bei der man auf Nahrungsergänzung fast nicht verzichten kann, nicht gesund sein.
Eine adäquate Proteinversorgung ist bei einer veganen Ernährung mit einer gezielten Lebensmittelauswahl normaler Weise gut zu erreichen. So liefern Sojaprodukte hochwertiges Eiweiß; gleiches gilt für die Kombination von Getreide und Hülsenfrüchten, da sich die Aminosäure-Profile der hier enthaltenen Proteine gut ergänzen. Pflanzliches Eiweiß wird jedoch generell zu einem etwas geringeren Anteil resorbiert als Tierisches. Veganer sollten also darauf achten, diese Nahrungsmittel in ausreichender Menge zu verzehren.
Weitere Ernährungstrends: glutenfrei, laktosefrei, Paleo
Des Weiteren erfreut sich die glutenfreie Ernährung mittlerweile größerer Beliebtheit. Essenziell ist diese bei Menschen, die an Zöliakie leiden. Diese können den Klebereiweiß Gluten, der in mehreren Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste vorkommt, nicht verdauen und sollten die entsprechenden Lebensmittel meiden. Ob eine glutenfreie Ernährung auch Menschen, welche keine Unverträglichkeit haben, Vorteile bringt, ist umstritten. Durch den Verzicht auf Weizen nimmt man weniger Lektine zu sich, die zu Entzündungsreaktionen im Körper führen (vgl. Dr. Feil). Ob die Regeneration insgesamt gefördert wird und speziell der Darm des gesunden Menschen von dem Verzicht auf Gluten profitiert, ist wissenschaftlich nicht belegt (Coattrenec et al, 2015). Ein ambitionierter Langstreckenläufer aus Norddeutschland, der seit einiger Zeit auf glutenfreie Ernährung schwört, ist Pascal Dethlefs, der freundlicher Weise das Titelbild für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat, auf dem sein gluten- und laktosefreier eiweißreicher Weihnachtsstollen abgebildet ist.
Auch die laktosefreie Ernährung ist in erster Linie wichtig für Menschen mit einer Intoleranz, von der in Deutschalnd laut Schätzungen immerhin rund 15% der bevölkerung betroffen sind. Bei diesen Leuten ist die Aktivität des Enzyms Laktase nach der Kindheit stark zurückgegangen, sodass sie den Milchzucker nicht mehr spalten können. Alle anderen Personen brauchen nicht auf Laktose in der Ernährung zu verzichten.
Zu guter Letzt sei die „Paleo“-Ernährung erwähnt. Diese gilt als „Steinzeiternährung“ und wird von den Befürwortern als die „ursprüngliche“ Ernährungsform des Menschen gepriesen. Hier werden kein Getreide, Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Zucker sowie stark verarbeitete Lebensmittel verzehrt; stattdessen viel Fleisch und Eier, dazu Kartoffeln, Gemüse und Obst. Manch positives Merkmal ist sicherlich in dieser Ernährungsform auszumachen. So sollte man in der Tat nicht zu viel Zucker, Weißmehlprodukte, hoch verarbeitete Lebensmittel und Zusatzstoffe konsumieren. Doch ob insbesondere der komplette Verzicht auf Getreide, Milchprodukte und Hülsenfrüchte mit einer (ausdauer-) sportgerechten Ernährung auf Dauer kompatibel ist, ist zumindest fragwürdig. Manche Menschen berichten, dass sie sich mit einer Paleo-Diät besser fühlen, doch gilt dies wahrscheinlich für jede Ernährungsform und ist jeweils individuell zu betrachten. Für die meisten Ernährungsweisen, die von Heilpraktikern oder sogenannten „Gurus“ empfohlen werden, ist nicht wissenschaftlich belegt, dass sie einen Gesundheitsnutzen bringen. Grundsätzlich spricht jedoch nichts dagegen, unterschiedliche Ernährungsformen auszuprobieren. Häufig spielen bei der Ernährung auch ethische und philosophische Aspekte eine Rolle, die man nicht außer Acht lassen sollte.
Generell gilt, dass, je mehr Nahrungsmittel (-gruppen) gemieden werden, desto gezielter die Lebensmittelauswahl erfolgen sollte, damit der Sportler mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt ist, um gesund und leistungsfähig zu sein.
Quellen
-Claus Leitzmann, Markus Keller, Andreas Lahn: „Alternative Ernährungsformen“, 2. Auflage, 2005, Georg Thieme Verlag
-Craddock J, Probst Y, Peoples GE: „Vegetarian and Omnivorous Nutrition – Comparing Physical Performance.“ Int J Sport Nutr Exerc metab 2015 Nov 16
-Seiler, D.; Nagel, D.; Franz, H.; Hellstern, P.; Leitzmann, C.; Jung, K.: Effects of Long-Distance Running on Iron Metabolism and Hematological Parameters. Int. J. Sports Med. 10, 357-62, 1989.
–http://www.welt.de/gesundheit/article118776674/Warum-Pescetarier-noch-laenger-leben-als-Vegetarier.html, besucht am 18.12.2015
-Winston j Craig: “Health effects of vegan diets”, 2009 American Society for Nutrition
–http://www.dr-feil.com/allgemein/weizen.html, besucht am 18.12.2015
-Coattrenec Y, Harr T, Pichard C, Nendaz M: “Benefits of gluten-free diet: myth or reality?” Rev Med Suisse 2015 Oct 14;11(490):1878, 1880-2, 1884-5.
–http://www.onmeda.de/krankheiten/laktoseintoleranz.html, besucht am 18.12.2015
–http://www.paleo360.de/fitness-sport/paleo-fuer-sportler-interview/, besucht am 18.12.2015