Wintereinbruch in Deutschland. Diese Schlagzeile haben viele Läufer aus der Republik nur über soziale Medien gelesen. Seit vielen Jahren fliege auch ich zusammen mit dem Bundeskader nach Monte Gordo. In diesem Jahr hatte ich das Glück, in einem ominösen 6-Personen Appartement zu wohnen. Um euch den Alltag mit allen Facetten und Perspektiven darzustellen und den Trainingsstandort Monte Gordo aufzudecken, habe ich meine beiden „Mitbewohner“ Patrick Zwicker und Martin Grau genauer unter die Lupe genommen und ihnen ein paar Fragen gestellt.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit… – Was genau braucht man eigentlich an der sonnigen Algarve? Natürlich bleiben die winterlichen Laufbekleidungen zu Hause, das sommerliche Outfit muss in den Koffer. Daneben legt unser 800m-Spezialist Patrick seine modische kurze Hose, die um diese Jahreszeit ganz hinten im Schrank zu finden ist. Für das gute Gewissen darf auch Lernstoff für die anstehenden Prüfungen nicht fehlen. Viele mitreisende Studenten müssen sich schließlich auf die Klausurphase im Februar vorbereiten. Die Effektivität der Lernstunden und Bemühungen müssen aus meiner Sicht leider in Frage gestellt werden :D. Mein Bettnachbar Martin steht ebenfalls vor der Frage, was als erstes in Sack und Pack gehört. Neben der passenden Laufbekleidung gehören Massagebälle für die muskuläre Lockerung und Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause Ultrasports in den Koffer. Speziell in diesem Jahr besaßen auch die Schwimmsachen zur alternativen Trainingssteuerung einen Platz im Gepäck. Wichtigstes Accessoire ist die Badekappe, ohne die man aus hygienischen Gründen nicht ins Wasser darf.
Wir alle kennen uns schon seit einigen Jahren, sind gute Freunde und genießen das gemeinsame Training an der portugiesischen Algarve. Da in unserem Appartement Mittelstreckler und Hindernisläufer auf engstem Raum zusammenwohnen, wollte ich zunächst bestimmte Stereotypen und bekannte Vorurteile herausfinden. Während Patrick die Hindernisschar als ruhige Charaktere und eingeschworenes Völkchen sieht, wundert sich Martin über die entspannte bzw. kurzfristige Planung des Mittagessens bei unseren extrovertierten Mittelstrecklern. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an, aber hat man uns daher zusammen in ein Zimmer gelegt? – Vermutlich wollte man trotz hartem Training einfach nur an der Spaßschraube drehen.
Spaß, Witz und gute Laune begleiten einen in einem Trainingslager bekanntlich sehr oft. Unter einem Dach mit verschiedenen Charakteren und Ansichten kann aber auch schnell mal der Lagerkoller aufkommen, oder? Natürlich braucht man erstmal 1-2 Tage um den Alltag der anderen Läufer zu verstehen, seinen eigenen Ablauf zu strukturieren und sich selbst ein bisschen auf die Mitbewohner einzustellen. Daher findet Martin die ersten Tage immer ein wenig strapaziös. Definitiv ist es sehr unterhaltsam, auch wenn dadurch nicht immer die individuell gewünschte Ruhe zu finden ist. Auch Patrick sieht keinen Anhalt für das Aufkommen einen „Kollers“. Er genießt die gemeinsamen Momente und weiß, dass es nichts „Geileres“ gibt. „Wenn man die Zeit nicht genießt, macht man etwas falsch“ meint der Mittelstreckler, der seit diesem Jahr für die LG Region Karlsruhe an den Start geht. Letztlich ist jeder ein Stück selbst für seine Privatsphäre verantwortlich.
Über die Jahre schleichen sich allmählich kleine Traditionen ein. Für Martin und mich ist es das gemeinsame Mittag, worauf man sich schon Wochen vor dem Abflug freut. Unser Spezialrezept des weltbekannten Baguettes wird sicherlich nicht für jedermann ein Gaumenschmaus. Aber gerade in einem Trainingslager muss man bzw. Mann pragmatisch denken. Die Mischung aus geringem Aufwand und ausgewogener Ernährung bestimmen das Gesamtbild unseres „El classico“. Machen wir es kurz: Vollkornbaguette mit Frischkäse, Tomatenmark, Gemüse, Meersalz aus dem Nachbarort, Käse, Salami und Chips für den Crunch-Effekt. Ohne jetzt in unnötige Diskussionen zu verfallen, aber der doch eher schlichte und schnelle Mittagstisch unserer Mittelstreckler mit Toast, Marmelade und Käse lässt zu wünschen übrig. Wir beraten euch die nächsten Jahre gerne mal…
Sicherlich nimmt jeder von uns viele schöne Momente mit. Höhepunkte sind allerdings für die meisten vor allem die gemeinsamen Spieleabende. Nach all den Jahren kennt man natürlich die ein oder andere Macke der anderen bzw. einer selbst. Das Spiel mit der Sprache sowohl im Witz als auch in Ironie und Sarkasmus können einem Abend unglaublich Lockerheit bringen. Man darf sich einfach selbst nicht zu ernst nehmen und muss sich auf die Gruppe einlassen. Unser Tipp für euer nächstes Trainingslager oder auch das Studentenleben ist das Spiel „Codenames“, welches immer für einen Lacher oder eine hitzige Diskussion gut ist. Ein weiterer Höhepunkt entstand aus einer ebenfalls scherzig gemeinten Idee. Als uns unser Hinderniskollege Lennart Mesecke seine mal eben entwickelte App „Touch den Philipp“ präsentierte, kamen wir nicht mehr aus dem Lachen heraus. Daher ist eine Ablenkung vom täglichen Training gegeben und Langeweile kommt definitiv nie auf.
Doch auch solche phantastischen Wochen gehen schnell rum. Nach diesem Trainingslager ist für die einen vor der Hallensaison, für die anderen nur eine Zwischenstation auf dem Weg in den Sommer. Während Patrick sich dabei weiter akribisch auf die anstehende Hallensaison und die 800m vorbereitet, legt Martin noch den Fokus auf die Aufarbeitung der entdeckten Schwächen. Für meinen Hinderniskollegen steht daher in den nächsten Wochen die Vorbereitung auf die deutschen Crosslauf-Meisterschaften Anfang März an.
Am Ende heißt es mal wieder ich packe meine Koffer und nehme mit… . Sicherlich konnte sich jeder durch das Training und den Teamgeist sportlich weiterentwickeln. Für Patrick ist das Trainingslager sogar in die persönliche Top-3-Wertung aufgestiegen. Ich denke ebenfalls, dass wir die Zeit gut genutzt haben. Bei allem gemeinsamen Spaß sollen Disziplin und ausreichende Schlafphasen jedoch nicht vergessen werden. Es handelt sich schließlich nicht um eine Ferienfreizeit. Ich hoffe, euch dadurch einen kleinen Einblick in das Leben abseits der Laufbahn gegeben zu haben und bedanke mich für die Offenheit meiner beiden Teamkollegen. Wir sehen uns auf der Bahn.
Steckbrief Monte Gordo:
- kurze Wege und räumliche Nähe von Hotel und Trainingsmöglichkeiten (Stadion, Kraftraum, Schwimmbad, Physiotherapie)
- alles ist per Fuß/Rad erreichbar
- stabiles Wetter (auch Anfang Januar)
- Hotel mit allen Standards (Halbpension)
- breiter, langer Strand mit Bars für Kaffee und Erholung