Das Stichwort „Rücksicht“ sollte besonders im Trainingslager nicht unter den Tisch fallen. Denn übermotiviert wie man ist, ist – gemäß des läuferischen Fachjargons – die Gefahr groß, sich ‚abzuschießen‘.
Natürlich ist hartes Training unabdingbar und gerade im Trainingslager kann man großzügig an der Intensität und dem Umfang schrauben. Aber Übermut kann auch zu viel des Guten sein. Dasselbe gilt im Trainingsalltag. Manchmal ist weniger mehr und die besagte Rücksicht gebührt potentiellen Schwachstellen. Und diese sind nicht nur körperlich. Es fängt häufig bereits im Kopf an, wo der Ehrgeiz die körpereigenen Signale bewusst ignoriert. So kann der Ehrgeiz eine große Stärke, aber auch Schwäche sein, wenn er uneinsichtig bleibt.
So manche Rücksicht schlägt sich langfristig besser! Und mit der richtigen Weitsicht bzw. Prävention können wir beispielsweise rechtzeitig Verletzungen verhindern.
Das war auch das Thema des gestrigen Abend. Unser Sportmediziner Dr. Paul Schmidt stand Frage und Antwort und stopfte unsere die Gehirnzellen mit hilfreichen Tipps voll. Vornehmlich wie wir frühzeitig agieren bzw. reagieren, um Schlimmeres zu vermeiden.
Grundsätzlich gilt: Sport ist DIE lebensverlängernde Maßnahme und effizienter als so manche Ernährungs-Mythen oder Gesundheits-Must-Dos. Eine gesunde Ernährung ist natürlich ein wesentlicher Faktor und genauso gut kann übermütiger Sport das Gegenteil bewirken als das Leben zu verlängern. Aber Maßnahmen hin oder her: alles in Maßen ist die Devise! Und wenn man sich daran hält und die gesunde Mitte findet, ist Sport DER entscheidende Faktor.
Im Trainingslager findet man natürlich weniger zu einer gesunden sportlichen Mitte und setzt bewusst eine Trainingsschippe oben drauf, aber ganzheitlich betrachtet – also die Zeit vor und nach dem Trainingslager mit eingeschlossen -, stimmt die Balance bestenfalls wieder. Denn keiner sollte das Pensum im Trainingslager über Wochen aufrecht halten. „Die Dosis macht’s“, wie Paul betont!
Passende Überleitung zu den Worten auf einen der Vortragsfolien: „Keine Wirkung ohne Nebenwirkung!“ Und das einmal bezogen auf das Laufen, denn dort entscheidet die Distanz, die Lauferfahrung, zurückliegende Verletzungen, die Trainingsplanung, der Laufuntergrund oder nur der Laufschuh über potentielle Nachweher.
Oft schafft eine gewisse Abwechslung jene gesunde Mitte. Bedeutet: häufiger einfach mal die Laufstrecke, die Straßenseite oder den Untergrund wechseln. Sich gleichzeitig auch die zwei Paar Laufschuhe mehr gönnen, als das Geld dem Orthopäden zuzustecken.
Die Belastungen variieren und besonders nicht auf Teufel komm raus seine Beine penetrieren, um doch noch mal den Kilometer oder gar die dritte Einheit dransetzen. Auch im Trainingslager gilt, ein Schritt zurück, bringt dich manchmal zwei vor. Schließlich haben wir ein Ziel, das wir erreichen wollen. Warum dieses nicht auch mit weniger früher erreichen?! Geduld und Kontinuität zahlen sich aus.
…aber auch gewisse Tricks, die die Regeneration oder Heilung beschleunigen:
Nach intensiven Einheiten, wie den gestrigen Tempowechseln beim Fahrtspiel, die potentielles Laktat bilden lassen und müde Beine produzieren, bieten sich Wechselbäder an, die die Durchblutung anregen. Eisbäder wiederum lassen die Muskelfasern lediglich zusammenziehen und verhindern Wassereinlagerungen, die mögliche Risse in den penetrierten Muskelfasern nur zusätzlich reizen. Eisbäder können demnach bei überzogenen Krafteinheiten oder Sprints den prophezeiten Muskelkater klein halten.
Im Laufen sind natürlich besonders die untere Extremitäten betroffen.
Das typische ‚Läuferknie‘, Probleme an der Achillessehne, der langwierige Fersensporn, feste Waden oder das Schienbeinkantensyndrom sind alles Symptome, die mehr als nur einer kennt. Dementsprechend hoben sich auch die Hände (meine eingeschlossen), als Paul fragte, ob jemand bereits Erfahrung mit etwaigen Verletzungen hat.
Die Ursachen sind meistens auch bekannt: Fehlbelastungen dank eines Beckenschiefstands oder Senkfüße (Überpronation), ein hoher Muskeltonus (Verspannungen), die mangelnde Flexibilität und wie so oft das Ignorieren des notwendigen ‚Stabi-Trainings‘.
Um schmerzfrei laufen zu können, muss der eigene Körper selbst rund laufen. Und damit er das tut, müssen wir auch die anderen Komponenten ins Training einbeziehen, die in der Summe einen gesunden Laufstil ausmachen und den letztlichen Trainingserfolg bestimmen.
Und da wären wir wieder bei der gesunden Mitte. Findet diese, das ist das einzige Muss, was ich Euch auftrage.
Und dafür denkt…
- ans regelmäßige Dehnen
- die Blackroll (nur in eine Richtung bzw. Richtung Herz ausrollen) oder allgemein Massagen (in der Kombination mit Saunagängen), die nichts anderes sind als lokale Dehnung
- als auch eure Stabi-Übungen für die Körperkräftigung und zum Ausgleich von körpereigenen Disbalancen und Fehlstellungen
- und um die Schnelligkeit zu trainieren, setzt anstelle der Kraftausdauer auf Maximalkrafttraining (also vier bis fünf Wiederholung mit maximalem Krafteinsatz)
Kurz um: Investiert manchmal mehr Zeit und Kraft auf notwendigen Nebenschauplätzen anstatt unnötige Kilometer draufzusetzen. Am Ende entscheidet das Gesamtpaket!
Gutes Training!