Dies Mal habe ich mir Katharina Nüser herausgepickt… Der kleine „Flitzebogen“, wie ich sie nenne, ist jetzt nicht zwingend dem Elitefeld untergemischt oder füllt die Covers der Laufmagazine, aber sie vereint trotzdem neben Top-Leistungen auch gewisse Attribute, die in der Laufszene nicht fehlen dürfen.
Neben Ehrgeiz ist das vor allem Spaß an Bewegung, was auch ihr Trainer Wolfgang Sukopp – kurz „Wolle“ – wertschätzt, weil das neben Fleiß und Disziplin die Leidenschaft bestimmt. Wenn du Spaß hast, läufst du wortwörtlich nicht Gefahr, vom Leistungsdruck überrollt zu werden, sondern folgst einem gesunden Antrieb. Gleichzeitig folgst du nicht zwanghaft irgendwelchen „Must Dos“, sondern bleibst dir selbst treu. Hörst auf dein Körpergefühl. Natürlich streikt das Gefühl hier und da und ‚der Spaß an Bewegung‘ wird bei so manchen harten Einheiten auf die Probe gestellt. Das gehört einfach dazu.
Wenn also neben Spaß auch Ehrgeiz und Disziplin das Training bestimmt, ist man auf einem erfolgsversprechenden Weg unterwegs, der sich besonders langfristig auszahlt.
Als Katha 2009 sich zum ersten Mal in Straßenschuhen und bunter Laufkleidung auf die 5000m in der Halle austobte, dachte sich ihr jetziger Trainer nur „Oh Gott, Oh Gott“. Katha lief die 5000m in demselben Tempo an wie ihre eingelaufenen 10km und finishte damals nach knapp 22 Minuten.
Bis dato war ihm der Flitzebogen noch nicht über den Weg gelaufen bzw. aufgefallen. Aber sie an jenem besagten Tag, trotz Freizeitdress, ambitioniert ihre Bahnen rennen zu sehen, hat ihn darin bestärkt, die kleine Katha an die Hand zu nehmen und ihre Euphorie für den Sport zu bündeln und zielführend zu modellieren. Und das hat der gute Wolle augenscheinlich auch gut hinbekommen.
Denn nur sechs Jahre später wird sie über jene 5000m Norddeutsche Meisterin und läuft diese in Berlin 2016 noch einmal schneller – in 17:46 Minuten. Aber auch ihre 1:21h auf der Halbmarathondistanz aus Bad Liebenzell am 23. April 2016 können sich sehen lassen. Besonders in den letzten zwei Jahre hat sie die größten Sprünge gemacht und ist mit ihren 29 Jahren noch längst nicht angekommen.
Auch wenn sie mit dem aktuellen Projekt Marathon ihre Schnelligkeit etwas streckt, wird sie danach weiterhin auf den Kurzstrecken trainieren, um die Grundschnelligkeit weiter auszubauen. Diese ist entscheidend, um auch ‚die paar Kilometer mehr‘ in einem gewissen Tempo abzuklappen.
Denn langfristig fasst Katha schon lang ins Auge. „Das ist auch etwas anderes als auf der Bahn zu laufen, wo der Fokus in dieser kurzen Zeitspanne nur auf dich gerichtet ist. Da kannst du dich zwischendrin nicht einfach rausnehmen, sondern musst von Anfang an Gas geben.“
Heißt natürlich nicht, dass Katha auf den 42,195km gemütlich vor sich hin schlendern möchte. Aber es ist ein anderes Feeling auf der Straße zu rennen – allein die Begeisterung seitens der Zuschauer ist oftmals der entscheidende Clou auf den letzten Metern. Besonders im Marathon! Jeder Support mobilisiert versteckte Kraftpakete. Wo die Beine nämlich längst aufgegeben haben, übernimmt der Kopf den Endspurt, der sich im Marathon leider ab Kilometer 30 etwas länger hinzieht. Also ist jeder Zuspruch gern gesehen und lockert die verbissenen Gedanken, die jeden verblieben Kilometer zählen.
„Aber Katha hat den Kopf dafür“, wie ihr Trainer sagt. Sie kann auch gut die drei Stunden im Training genüsslich vor sich hin laufen, ohne genervt immer wieder auf die Laufuhr zu gucken.
Hier in Frankfurt sollte also das erste Mal die Königsdisziplin in Angriff genommen werden. „Wenn alles glatt läuft, traue ich ihr eine Zeit unter drei Stunden zu. Aber wir sprechen hier vom Marathon und der ist sprichwörtlich nicht berechenbar.“ Ihr Trainer weiß natürlich, zu was seine Katha in der Lage ist, aber am Ende entscheidet sich im Rennen, ob auch die Umstände passen.
Deshalb bleibt es selbst für Top-Läufer wie Julian Flügel und Co. jedes Mal eine neue Herausforderung. Und das macht auch den größten Reiz aus: Wer beweist mentale Stärke und bezwingt sich selbst? Wer pokert richtig und übertreibt es nicht mit dem Einsatz?
Katha freut sich jetzt einfach und macht sich auch nicht großen Druck. Eine Bestzeit ist ja schließlich sowieso drin 😉
„Man trainiert so lange für diesen einen Tag! Jetzt soll es endlich losgehen! Ich versuche das Beste zu geben, so lange es eben geht! Und wo die Zeit am Ende stehen bliebt, wird sich zeigen. Hauptsache das Debüt – also den Zieleinlauf – glücklich hinter sich bringen!“
Bis dato wurden die Speicher noch mal ordentlich gefüllt, die Startunterlagen gesichert und sich im Rahmen des Asics Events lauftechnisch aufs Rennen eingestimmt.
Um 10 Uhr (bzw. 10:10 Uhr) ist Start. Auf dass nicht nur unser „Flitzebogen“ gesund durchs Ziel rennt, sondern auch die übrigen Läuferinnen und Läufer, die sich beim Jubiläumsmarathon in Frankfurt auf die Strecke wagen.