Als rasende Reporterin ging es dieses Mal mit Isabell Teegen um die Alster. Als ‚Nachbarn‘ bietet es sich schließlich an, die bewährten Laufrouten gemeinsam abzulaufen.
Bewährt hat sich als Hamburger da natürlich die Alster, sodass ich Isabell bei ihren drei Runden auf dem letzten Drittel begleitete.
Der erste schnellere Dauerlauf für mich nach dem Marathon in Frankfurt – dabei entspannt zu schnacken, ist natürlich für mich – das lockere GA1-Tempo liegt bei 5:05min/km – schon eine extra Herausforderung. Schließlich möchte man beim Interviewen noch irgendwie professionell rüber kommen, auch wenn es im Sport grundsätzlich locker zu geht. Aber die Fragen hechelnd rauszuhusten, muss ja auch nicht sein.
Dieses Mal galt es also: Lauftechnik ist egal, konzentriere dich lieber darauf, dass du die Worte verständlich rausbekommst. Bzw. stell die Fragen so, dass eine Antwort gleich aus mehreren besteht. Lass den Interviewten hauptsächlich sprechen. Schließlich sind 4:31min/km für Isabell ein gemütliches Schnack-Tempo, sodass sie das Sprechen auf ihre sympathisch lockere Art gerne übernahm.
Und so verging die Runde schneller als gedacht. Nicht nur, weil wir ein recht ordentliches Tempo hatten, sondern auch gut abgelenkt waren – mit Sprechen und geschicktem Ausweichen, schließlich war es Wochenende und die Alster daher gut besucht.
Grundsätzlich bin ich ja der Meinung, dass die der Frau nachgesagte Fähigkeit – Multitasking – nicht unbedingt zutrifft. An der Alster war ich dieses Mal allerdings verdächtig nah dran, dieser Fähigkeit doch ein Quäntchen Wahrheit zuzusprechen. Neben ‚Tempo-halten‘, ‚Spaziergänger-Slalom‘ und dem ‚Formulieren passender Fragen‘, musste ich obendrein drauf achten, zwischen den Fragen möglichst wenig kalte Luft ‚einzuschieben‘.
An der Alster herrschten nämlich muckelige zwei Grad und die Atemwege hatten mit der erhöhten Belastung sowieso genug zu hadern. Arbeit und Sport sind im Winter vielleicht nicht immer die geeignetste Methode, um der Erkältungsgefahr zu trotzen. Aber gut, auch in Grenzsituationen muss ich meinem Beinamen („rasende Reporterin“) gerecht werden.
Glücklicherweise hatte ich mit Isabell jemanden an meiner Seite, der gut gelaunt von potentiellen Gefahren und etwaigen Koordinationsproblemen ablenkte. Und je weniger Gedanken man sich macht, umso besser läuft’s am Ende. Wortwörtlich! Pace war ok, sprechen ging und bislang haben mich noch keine Halsschmerzen heimgesucht 😉
Aber nun endlich genug von den Umständen und hin zum Protagonisten dieser Story – Isabell.
23 Jahre jung, Studentin (Zahnmedizin) samt aussichtsreichem Lauftalent.
Dieses konnte sie im letzten Jahr aber nur auf den langen Strecken entfalten, weil – das Thema hatten wir heute schon – Erkältungen dazwischen kamen und die Beine somit zwangsausbremsten und der Traum von den Olympischen Spielen in Rio über 5000m trainingstechnisch nicht weiter anvisiert werden durften. Wenn ich dagegen nach einem Alsterlauf dann mal einen Husten bekommen sollte, muss nicht gleich die gesamte Jahresperiodisierung umgeschmissen werden.
Isabell hatte es nach einem Trainingslager Anfang des Jahres böse erwischt, sodass sie sich kurzfristig auf lang orientierte und sich ‚zumindest‘ mit ihrem Debüt-Halbmarathon in Berlin für die EM in Amsterdam qualifizieren konnte. Wenigstens ein internationaler Wettkampf, bei dem sie wieder wichtige Erfahrungen sammeln konnte, die sie auf ihren langfristigen Zielen (EM 2018 im eigenen Land, Olympia 2020 in Tokio) unterstützt.
Bislang konnte sie ihre Laufstärke über die Mitteldistanzen nicht wirklich unter Beweis stellen. Die Zwangspausen machten ihr nicht nur im Training ein Strich durch die Rechnung, sondern verhinderten nämlich auch, wertvolle Wettkampferfahrungen zu sammeln. Schließlich spielt auch der Kopf am Tag X eine nicht unwesentliche Rolle.
„Dieser ist derzeit aber gut mit der Uni abgelenkt.“ Und das schlägt sich auch positiv aufs Training aus. „Da ist weniger manchmal mehr!“ Zwar stehen in der Woche dann ’nur‘ sieben Einheiten an, dafür sind diese aber intensiver und letztlich auch effektiver. „So kommst du nämlich nicht auf die Idee, vielleicht doch noch mal Laufen zu gehen. Letzten Endes bringt das aber auch nichts Positives mit sich. Manchmal sogar eher das Gegenteil.“
Für das neue Jahr heißt es jetzt, das Potential auf den 5000m zu fördern, ohne sich selbst zu überfordern. Die 16 Minuten sollen geknackt werden und so viele Sekunden wie möglich unter ihrer aktuellen Bestzeit von 16:04min liegen. Vorher steht in der Hallensaison (Januar und Februar) aber noch mal eine 3000m an, wo ihre Bestmarke derzeit bei 9:12min liegt. Ebenfalls fest im Kalender sind die Deutschen Hallen-Meisterschaften in Leipzig eingeplant.
Ich wünsche es Isabell wirklich, dass sie all ihre sportlichen Vorsätze umsetzen kann. Würde sie scheitern, läge es ganz klar nicht am hinkenden Schweinehund, der die meisten spätestens Ende Januar heimsucht und alle guten Vorsätze verjagt. Sie hat einfach Spaß an dem, was sie tut. Die freudig strahlenden roten Wangen liegen also nicht nur an der Kälte, sondern an der Leidenschaft, die Isabell für das Laufen hegt.
Das kann sicherlich jeder Läufer bestätigen, für den das Laufen mehr ist als nur ein seltener Ausgleich.
Wenn man das Laufen tagtäglich lebt, aber aufgrund von Verletzungen, Erkrankungen o.ä. nicht mehr ausleben darf, tut diese Tatsache teilweise mehr weh, als die Verletzung an sich. Auf diese schmerzliche Sportler-Depression kann der Sportler und sein Umfeld gern verzichten.
Manchmal helfen diese Phasen aber auch, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Zu verstehen, was falsch lief. Einzusehen, dass vielleicht manchmal tatsächlich weniger mehr ist und die Vernunft am Ende erst zielführend.
Genauso zielführend ist jene Leidenschaft, die wie bei Isabell den harten Trainingsalltag steuert und sie motiviert.
Und so sollte es auch sein. Die Leidenschaft ist nämlich oft das Letzte, das dem kritikwürdigen System im Leistungssport trotzt. Denn Leistungsdruck kann Leidenschaft schnell mundtot machen. Dabei ist die Leidenschaft doch der stärkste Antrieb und bestimmt auch langfristig den Erfolg.
Deshalb liebe Isabell – halte an deiner Begeisterung fest und bleib uns gesund. Auf dass dir die ‚Umstände‘ den Rücken frei schaufeln, Studium und Leistungssport erfolgreich zu managen.