Legendär. Kult. Weltrekorde. World Marathon Majors. Sport-Metropole Berlin.
Am Ende bleiben es aber auch in der Hauptstadt 42,195km, die unsere Spitzen- und Freizeitläufer bezwingen mussten.
Mit den Worten des einst sehr erfolgreichen Langstreckenläufers Martin Beckmann: „In einem Marathon muss man drei Siege erringen: die Strecke bewältigen, dann die Gegner bezwingen und am Schluss auch sich selbst.“
Für jemanden wie Martin, der sich jahrelang mit der Langstrecken-Elite gemessen hat (Teilnahme Welt- und Europameisterschaft sowie Marathon Deutscher Meister, PB 2:13:42 Stunden), sind es diese drei Säulen. Für den Großteil der Läuferinnen und Läufer ist der Marathon aber kein Wettkampf. Die Mitstreiter sind nicht Gegner, sondern Leidensgefährten. Denn nicht grundlos wird der Marathon auch als die Königsdisziplin im Laufsport bezeichnet. Martin: “Es ist für viele immer noch unfassbar, 42,195 Km am Stück zu laufen… und es ist und bleibt die längste Olympische Strecke, die ohne Hilfsmittel zurückgelegt werden muss!“
In einem Marathon kann man nicht einfach losrennen. Er muss geplant werden… und diese Planung fängt Monate vorher an. Deshalb zeichnet einen guten Marathoni neben Ausdauer und Kampfgeist, vor allem auch Disziplin, ein gewisses Organisationstalent und Zielstrebigkeit aus! Alles Dinge, die auch unsere Katharina Heinig gestern in Berlin nach 2:28:34 Stunden ins Ziel brachten.
Katharina (Spitzname Katha) zeichnet aber noch mindestens eine weitere Eigenschaft aus: Zuversicht! Neben ihrer Kampfbereitschaft hat sie in schwierigen Zeiten bewiesen, dass man sich nicht aufgeben darf und weiter an sich glauben muss.
Wir spulen kurz fünf Monate zurück und schauen auf den Marathon am 25. April in Zürich, wo Katha aufgrund widriger Bedingungen und einer Unterkühlung letztlich aus dem Rennen steigen musste und den Versuch, die Olymia-Norm zu laufen, somit nicht weiter verfolgen konnte. Aber auch bei der Europameisterschaft in Amsterdam am 10. Juli, wo sie über die Halbmarathon-Distanz an den Start ging, konnte Katha nicht wie zuletzt in Barcelona glänzen, sondern musste sich enttäuscht mit den 55. Platz zufrieden geben. Die 27 – Jährige war gezeichnet von Nieder- und Rückschlägen.
Sie ließ sich dennoch nicht unterkriegen und brachte immer wieder neue Kraft auf, um sich selber Mut zuzusprechen. Im Leistungssport gibt es immer Momente, in denen die Athletinnen und Athleten auf lästigen Durststrecken vergebens nach dem entscheidenden Erfolg lechzen. Aber dann heißt es, dies schlicht zu akzeptieren und nicht daran kaputt zu gehen.
Wir müssen lernen, wieder nach vorn zu schauen. Denn es kommt der Tag, an dem wir es uns und allen Zweiflern beweisen. All jenen etwas zurück geben, die stets an uns glauben. Und für Katha war dieser Tag gestern! Abgesehen von einem kurzen Hänger bei Kilometer elf, aus dem sie sich mit den Worten “Schau und genieße einfach“ ablenkte, konnte sie die Beine gut rollen lassen und besonders ab der 2. Hälfte noch einmal aufdrehen.
Aber das ist auch der Strecke in Berlin zu verdanken, denn sie ist flach, hält zu 99% Läufer-Wetter sowie gute Stimmung bereit und bietet gute Rahmenbedingungen, um Bestzeiten bzw. Weltrekorde anzupeilen (bzw. mehr als knapp daran zu scheitern – wie Kenenisa Bekele, der den Weltrekord mit einer Zeit von 2:03:03 Stunden um sechs Sekunden verfehlte).
Martin: “Man muss sehr lange, sehr gut trainieren und weiß leider erst im Rennen, ob alles richtig war.“
Dabei mag im Training manchmal alles richtig gelaufen sein, aber es im Wettkampf trotzdem schief gehen. Marathon bleibt unberechenbar. Aber genau das macht vielleicht auch den Reiz aus?
Gleichzeitig ist es, wie auch schon André Pollmächer vor dem Marathon in Düsseldorf, bei dem Hendrik Pfeiffer die Olympia-Norm knackte, feststellte, das einzige Event, bei dem Profis und Freizeitathleten gemeinsam und zeitgleich einen Wettbewerb bestreiten.
Und genau so ist es. Jeder kämpft für sich. Und das fängt bereits Monate zuvor in der Trainingsvorbereitung an. Grundvoraussetzungen dabei? Laut Martin: “Kontinuität, realistische Zielsetzung und viel Spass am Laufen! Seht ein Training nie als ein MUSS, sondern immer als ein DARF an!“ So kann man nicht nur dem Longrun am Sonntag, sondern auch dem Kilometer 30 im Marathon etwas Positives abgewinnen 😉
Schmerzen hin, läuferische Penetration (wie bei Tempoeinheiten und Co.) her – ein Quäntchen Verrücktheit ist bei uns Läufern einfach genetisch festgelegt. Mein Larasch-Kollege Alexander Pohle fand einst treffendere Worte, die nicht nur für den Laufsport gelten: „Es fällt schwer, ein Äquivalent zu finden, bei dem eine solch enorme Verdichtung aus Mut, Freude, Drama oder Leid zusammenfällt.“
Jede Leistung erzählt ihre Geschichte. Hinter jedem Erfolg – wie der von Katharina Heinig gestern – liegt eine Leidenschaft, die nicht selten von Leid geprägt ist. Aber es ist der Mut, mit dem wir wieder Kraft schöpfen, um erneut anzugreifen!
An dieser Stelle erinnern wir uns gerne an Uta Pippig zurück. Eine Lauflegende, die vor knapp 30 Jahren den Leipzig-Marathon und vor gut 20 Jahren den Boston-Marathon gewann. Ihr erster DDR-Meisterinnentitel 1986 in Leipzig bis hin zu ihrem dritten Sieg hintereinander 1996 in Boston, der eine unglaubliche Serie von sechs Siegen krönte.
Aber derart rosig lief es nicht immer: Uta träumte lange davon, an großen renommierten Straßenläufen teilzunehmen, was ihr als Sportlerin eines Armeesportklubs im repressiven DDR-System damals aber nicht vergönnt war. „Laufend in die Freiheit (1990 – 1996),“ schreibt Alexander, wo sie mit ihren Erfolgen letztlich allen Zweiflern trotzte.
Glaubt also weiter an euch und lasst euch durch Umstände oder Misserfolge nicht unterkriegen – Deine Zeit kommt!