Winter ade. Wie jedes Jahr ist mir der Abschied alles andere als schwer gefallen. Stattdessen habe ich mich schon im Januar wie ein kleines Kind auf die ersten Läufe in kurzen Hosen mit der Sonne im Nacken gefreut. Bei gutem Wetter fällt das Training nun mal einfach leichter – dank sukzessiver Schichten-Reduzierung des temperaturbedingten Zwiebel-Looks sogar im wörtlichen Sinne.
Aber selbst wenn der Winter mit dem, für den heutigen Tag datierten astronomischen Frühlingsbeginn, nun auch „offiziell“ vorbei ist, bedeutet das natürlich noch lange nicht automatisch stabile 15 Grad, windstill und kein Regen mehr.
Und völlig egal, ob es nun klirrend kalt ist, die Sonne vom Himmel brennt, oder sich ein Gewitter zusammenbraut: Bei jeder Wetterlage gibt es bestimmte Dinge zu bedenken. Die Witterung ist für Läufer als Outdoor-Sportler ein geradezu limitierender Faktor, den es nicht zu unterschätzen, sondern vor allem einzuschätzen gilt.
Mit Thomas Wostal von der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik habe ich einen Experten gefunden, der als begeisterter Läufer sein meteorologisches Wissen mit sportlicher Erfahrung vereint. Ihn habe ich mit all meinen neugierigen Fragen bombadiert…
Herr Wostal, bestimmt kennen Sie das auch: Man will mit dem Dauerlauf loslegen, aber die GPS-Uhr findet einfach kein Signal. Kann das am Wetter liegen?
Nein. Deutlich stärker wirken sich Gebäude, Berge oder Bäume im Wald auf die Ortung aus. Selbst bei Satelliten-Fernsehen kommen Störungen nur bei extrem dicken Wolken, also 5 Kilometer und mehr, in Verbindung mit starkem Niederschlag vor. Also zum Beispiel im Winter bei starken Schneefall oder im Sommer bei Hitzegewittern.
Das ist ein gutes Stichwort! Kann ich denn vor einem Gewitter davonlaufen, wenn ich beim Training von Blitz und Donner überrascht werde?
Nein! Auf’s Davonlaufen sollte man sich auf keinen Fall verlassen, egal wie fit man ist. Denn erstens verlagert sich ein Gewitter nicht allein durchs Weiterziehen. Oft löst es stattdessen neue „Ableger“ in der Umgebung aus und innerhalb von Minuten ist in einem deutlich entferntem, bisher noch freiem Gebiet ein neues Unwetter entstanden. Zweitens ist Blitzschlag auch etwas weiter entfernt vom Gewitterzentrum möglich. Es kann also durchaus sein, dass ich im trockenen Bereich bin, das Gewitter noch in einiger Entfernung vermute und trotzdem schlägt plötzlich in unmittelbarer Umgebung der Blitz ein. Dafür ist die unterschiedliche Aufladung zwischen Gewitterwolke und Boden verantwortlich, die auch in einiger Entfernung vom Zentrum groß genug sein kann, um einen Blitz auszulösen. Und zu guter Letzt: Ein Läufer am Boden kann nur schwer abschätzen, in welche Richtung das Gewitter zieht. Man kann also gar nicht sicher sein, in welche Richtung man laufen muss. Und selbst wenn: In Verbindung mit Kaltfronten können Gewitter von 30 bis 80km/h schnell ziehen und sind sie mit Sturmböen verbunden, entsteht zudem eine Gefahr in der Nähe von Bäumen, selbst wenn das Gewitterzentrum noch weit weg ist.
Was soll ich stattdessen tun?
Unterstellen und warten, bis das Unwetter sich verzogen hat – alles andere wäre unvernünftig.
Gibt es noch andere Wetterlagen, bei denen Läufer das Training unterbrechen oder sogar lieber abbrechen sollten?
Zum Beispiel bei erhöhter Temperatur, vor allem in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit. Das kennen bestimmt viele aus eigener Erfahrung: Trockene Hitze ist oft leichter zu ertragen als schwüles, tropenartiges Wetter. In der Meteorologie gibt es einen „Heat Index“, der aus Temperatur und Feuchte eine gefühlte Temperatur berechnet. Daraus lässt sich dann die Wirkung auf den Körper besser abschätzen. Aber bei welcher exakten oder gefühlten Temperatur man von sportlicher Betätigung gänzlich abraten würde, müsste man eher in der Sportmedizin fragen.
Aber könnte denn zum Beispiel Wind bei einer enormen Hitzebelastung die Gefährdung mindern?
Prinzipiell verstärkt Wind die Verdunstung. Und diese wirkt kühlend auf die Umgebung, in diesem Fall unsere Haut. Somit wirkt Wind kühlend und dämpft die Hitze. Aber: Das kann auch tückisch sein, wenn die Luft weniger warm wirkt, die Sonne aber trotzdem gnadenlos auf die Sportler einstrahlt, die das dann erst merken, wenn ihnen schwindelig wird. So entstehen auch schnell und unbemerkt Sonnenbrände an den windigen Küsten Englands oder Norddeutschlands. Übrigens: Bei Kälte spielt der Wind auch eine große Rolle, weil er die gefühlte Temperatur noch einmal massiv senkt.
Der Wind, der Wind… Ein besonders gern gesehener Trainingsbegleiter ist er ja ohnehin nicht. Denn wer kennt das nicht: Man läuft in eine Richtung mit Gegenwind und sobald man zum Rückweg umkehrt, scheint sich auch der Wind zu drehen. Woran liegt das?
Als begeisterter Hobby-Läufer und -Radler kenne ich das Phänomen nur zu gut. Als Meteorologe wäre meine erste Reaktion auf die Frage natürlich: Kann nicht sein. Die Wahrscheinlichkeit für die Tatsache, dass sich die Windrichtung wirklich gerade in meinem Sport-Zeitfenster so dreht, dass er mir ausgerechnet zwei Mal entgegenbläst, ist sehr sehr gering. Er müsste sich ja um exakt 180 Grad drehen. Am ehesten könnte das noch im Sommer in der Nähe von Gewittern der Fall sein. In den meisten Fällen weht der Wind aber über längere Zeit ziemlich konstant aus einer Richtung und kann mich eher nicht zwei Mal kurz hintereinander als Gegenwind ärgern. Mir fallen aber trotzdem zwei realistische Beispiele ein, bei denen das Gegenwind-Gefühl durchaus wissenschaftlich erklärbar ist. Szenario eins: Man läuft eine Runde, zum Beispiel in Form eines Rechtecks. Dann habe ich auf dem ersten Teil der Strecke Gegenwind. Danach folgt logischerweise eine Strecke Seitenwind, dann Gegenwind, dann Seitenwind. Besonders bei starkem Wind kann oft auch Seitenwind stören. Daher hat man auf dieser Runde auf drei von vier Strecken ein „Wind-Thema“ und so vielleicht das Gefühl, dauernd mit dem Wind kämpfen zu müssen. Szenario zwei: An Hügeln, Bergen, Gebäuden etc. wird der Wind oft deutlich umgelenkt. Dass kann man sich ähnlich wie bei Wasser in einem Bach an Steinen vorstellen. Somit ist gut möglich, dass zwar die großräumige Windrichtung gleich bleibt, ich aber kleinräumig unterschiedliche Windrichtungen erlebe, die auch beim Ändern der Laufrichtung für Gegenwind sorgen können.
Klingt logisch. Aber dann habe ich wohl bisher immer ganz schön viel Pech gehabt mit der Windumlenkung…
Was meiner Meinung nach sicher auch immer mitspielt, ist eine nicht zu unterschätzende psychische Komponente: Gegenwind bemerke ich sofort und er nervt, Rückenwind stört mich nicht und fällt mir daher auch nicht besonders auf. Somit sind Gegenwindläufe wahrscheinlich immer einprägsamer als Rückenwindläufe.