- Vor dem Köln Marathon gab es etwas Verwunderung über den Eintrag in der Startliste für die Halbmarathondistanz. Hier war der Name von Homiyu Tesfaye zu lesen, der im Grunde seit der EM-Finalteilnahme in Berlin über 1500 Meter nicht mehr in Erscheinung getreten ist. Daraufhin haben wir Kontakt zu Homiyu aufgenommen und führten unmittelbar vor dem Köln Marathon dieses Telefoninterview. In diesem gab er bekannt, dass er nun doch nicht in Köln starten wird, sondern sich auf den Marathon in Frankfurt vorbereiten möchte.
Larasch: Hallo Homiyu, zunächst vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit nimmst. Vielleicht als erstes direkt die Frage wie geht es dir und deiner Familie? Wo lebst du aktuell?
Homiyu Tesfaye: Meiner Familie geht es gut. Meine zwei Töchter, Lediya und Selam, sind gesund und wohlauf. Unser Hauptwohnort ist nach wie vor Frankfurt. Jedoch verbringen wir sehr viel Zeit mit Trainingslagern in Kenia oder in Äthiopien. Wir finanzieren uns komplett selbst. Aktuell verbringe ich viel Zeit in Addis Abeba (Äthiopen). Hier lebe ich mit meiner Familie und kann auch sehr gut trainieren und mich gezielt auf die kommenden Wettkämpfe vorbereiten.
Larasch: Warum Äthiopien? Kannst du uns hier etwas mehr Einblick geben, wie gerade die Situation bei euch ist?
Homiyu Tesfaye: Um Leistungssport zu betreiben, brauche ich die Höhe und eine funktionierende Trainingsgruppe. Hier trainiere ich im Team um Kenenisa Bekele oder Lelisa Desisa, der in diesem Jahr Weltmeister im Marathon geworden ist. Der Kontakt zu dieser Trainingsgruppe kommt vor allem über meine Frau.
Larasch: Du bist 2018 im März den Halbmarathon in Den Haag gelaufen und stelltest hierbei deine persönliche Bestzeit von 61:20min auf. Drei Wochen später bist du dann das letzte Mal über diese Distanz gestartet, jedoch warst du dort fast eine Minute langsamer. War das bereits der Auftakt für dein schlechtes Jahr 2018?
Homiyu Tesfaye: Den Haag war recht spontan, ich wollte meine Form für den Berliner Halbmarathon testen und den deutschen Rekord von Carsten Eich (60:34 Minuten) angreifen. Aus irgendeinem Grund konnte ich hier nicht mein volles Leistungsvermögen zeigen, vielleicht wegen einer Erkältung. Danach verbrachte ich mehr Zeit damit meine Frau bei der Geburt unseres zweiten Kindes zu unterstützen und mich um die Familie zu kümmern, was natürlich zur Folge hatte, dass ich wesentlich weniger trainieren konnte und häufig nicht ausreichend Kraft in den Rennen hatte.
Larasch: Du standest bei der WM 2017 in London im Halbfinale über 1500 Meter. In Berlin bei der EM hast du sogar das Finale erreicht. Danach warst du wie von der Bildfläche verschwunden. Nicht einmal der Bundestrainer hatte Kontakt zu dir. Was war los?
Homiyu Tesfaye: Nach Berlin 2018 hatte ich im linken Knie Probleme und musste umfangreich kurieren. Dann wollte in die Marathonvorbereitung gehen, das hatte jedoch nicht funktioniert, aus den oben genannten gründen. Mir war es einfach wichtiger, mich um meine Familie zu kümmern, als mich auf das nächste sportliche Highlight vorzubereiten. Nun ist wieder alles ok, der Familie geht es gut und ich habe wieder Power richtig zu trainieren und neue Ziele anzugreifen.
Larasch: Was sind konkret deine Ziele und weiteren Pläne?
Homiyu Tesfaye: Eigentlich wollte ich den Halbmarathon in Köln laufen. Nun habe ich mich umentschieden und will beim Frankfurt Marathon direkt die Olympianorm angreifen. Ich will gern Medaillen gewinnen und muss deshalb etwas anderes probieren. Auf den 1500m habe zu viel schlechte Erfahrungen in den Finals gemacht, weshalb ich mich auf die längeren Distanzen fokussiere. Klares Ziel ist es, eine Medaille bei der EM in Paris zu gewinnen. Das ist der Plan.
Larasch: Wie wichtig ist für dich Olympia 2020?
Homiyu Tesfaye: Sehr wichtig. Ich will die Olympiaqualifikation angehen. Meine Frau steckt zurzeit zurück, so dass ich mich voll auf Frankfurt konzentrieren kann. Danach bleibe ich in Frankfurt. Eventuell will ich an den Deutschen-Crosslauf-Meisterschaften in Sindelfingen teilnehmen, um weitere Wettkampfpraxis zu sammeln. 2020 soll es aus sportlicher Sicht wieder deutlich besser werden. Nun muss aber erst einmal der Marathon gut überstanden werden.
Larasch: Hast du aktuell einen Trainer, der dich auf deine Ziele vorbereitet und unterstützt?
Homiyu Tesfaye: Nein, bisher nicht. Ich trainiere in der Gruppe in Äthiopien meistens mit und mache gewisse Einheiten alleine nach meinem Empfinden. Wenn ich einen Trainer finde, der zu mir passt, dann sehr gern. Ohne Trainer ist es nicht perfekt, dass weiß ich. Dennoch bin ich sehr optimistisch für Frankfurt, da ich gut in Form bin und seit vier Monaten sehr gut trainieren kann. Tempoläufe funktionieren sehr gut, jedoch waren die langen Läufe noch nicht perfekt. Daran muss ich noch arbeiten. Ein aktuelles Programm ist zum Beispiel 7*2000 Meter in 2:45/2:50min auf Asphalt mit 1000m in 4:30min als Regeneration dazwischen.
Lieber Homiyu, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für den Marathon in Frankfurt am Sonntag!