Wettertechnisch ist der Swiss City Marathon Lucerne immer für eine Überraschung gut. Mal gab es in der Vergangenheit strahlenden Sonnenschein, mal versanken die Läufer im Schnee, heuer war es nasskalt und windig bei Temperaturen um 3 Grad.
Wenig überraschend dagegen war der Sieg im Marathon bei den Frauen. Nach 2014 und 2017 gewann die gebürtige Luzernerin Franziska Inauen bereits zum dritten Mal. Nach 2:51:07 Stunden erreichte die 32-Jährige das Ziel im Verkehrshaus. Nach Platz vier im vergangenen Jahr lief Elias Gemperli dieses Mal auf Platz eins. 2:27:52,9 Stunden benötigte er für die selektiven 42,195 Kilometer. Der Sieg im Halbmarathon ging nach Deutschland: Der Potsdamer Stefan Hendtke setzte sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen nach 1:09:18,7 Stunden durch. David Keller (Menziken) folgte knapp neun Sekunden dahinter. Bei den Frauen siegte Andrea Meier vom LC Uster (1:17:31,7 Stunden). Über zehn Kilometer gewannen Jonathan Raya (32:28,3 Minuten) und die erst 15-jährige Valentina Rosamilia in 36:29,3 Minuten.
Für uns übt der Swiss City Marathon immer einen ganz besonderen Reiz aus. Ende Oktober gibt es keine andere Wahl: Seit Jahren geht`s für uns am letzten Wochenende des Monats in die Innerschweiz zum Swiss City Marathon Lucerne.
Das größte Pfund ist natürlich die einmalige Kulisse: der Vierwaldstätter See, der Hausberg Pilatus, im Juni 2019 Austragungsort des Swiss Trailruns, der Bürgenstock, die Rigi und die malerische Altstadt mit der berühmten Kapellbrücke. In diesem Jahr allerdings versteckten sich die Alpen hinter dicken, dicken Wolken.
Gänsehaut-Atmosphäre in den engen Gassen der Luzerner Altstadt und im KKL (Kultur- und Kongresszentrum), Menschenmassen, die mitfieberten, sich freuten oder litten, fetzige Musik an allen Ecken. Dies machte den Swiss City Marathon Lucerne wieder zu einem ganz besonderen Ereignis. 50 Musikformationen entlang der Strecke, die so lustige Namen, wie „Blose Späck ond Bier“, „Horst – die Blaskapelle“, „Löchlitramper“, „Rotseemöven“, „Hot Bananas“, „Nölli Grötze“, „Silberfüchse“ oder „Suurstoff“ tragen, heizten den Teilnehmern ebenso ein wie die zahlreichen privaten Initiativen.
Entlang der Strecke gab es wieder zahlreiche Hot Spots, wie beispielsweise an den Anstiegen Stutz und Krämerstein, in Horw, am KKL oder auf den letzten beiden Kilometern. „21 Kilometer Fasnacht“, treffender ließ sich die Stimmung nicht beschreiben. Aber auch wer sich nach etwas Ruhe sehnte, fand Augenblicke zum Durchatmen und konnte beispielsweise die Natur auf der Horwer Halbinsel in vollen Zügen genießen und Kraft für die Endphase sammeln. Rund 1.100 Helfer sorgten vor und hinter den Kulissen für einen reibungslosen Ablauf.
Dort, wo normalerweise Japaner, Chinesen, Inder und all die anderen Touristen durch die idyllischen, teilweise kopfsteingepflasterten Sträßchen flanieren und die Schweizer Wirtschaft mit dem Kauf von Uhren, Schmuck und der berühmten Schokolade ankurbeln, tummelte sich am Sonntag die Läuferschar. Der Swiss City Marathon Luzern ist ein Spektakel und ein Lauf durch die Geschichte: Kapellgasse und Kapellplatz in unmittelbarer Nähe zur gleichnamigen Brücke, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaut wurde, oder aber der weltberühmte Wasserturm mit seinem achteckigen Grundriss, der schon unzählige Fotos und Ansichtskarten zierte. Die Altstadt ist gespickt mit romantischen Plätzen umgeben von unzähligen historischen Gebäuden. Sehenswert: der Weinmarkt, wo die Luzerner 1332 den eidgenössischen Bund mit Uri, Schwyz und Unterwalden beschworen haben, oder der Schwanenplatz mit Geschäften für die Reichen und Schönen sowie dem direkten Blick auf die Dampfschiffe, die gemächlich über den Vierwaldstättersee tuckern, das vom Pariser Stararchitekten Jean Nouvel gebaute KKL Luzern mit seiner außergewöhnlichen Architektur. Nur selten sieht man mehr Menschen in Luzern als am Marathon-Wochenende, nämlich dann, wenn die „Lozärner“, wie sich die Einheimischen selbst bezeichnen, bei der Fasnacht außer Rand und Band sind.
Und noch eine andere kleine Gemeinde stand am Sonntag im Blickpunkt: Horw, der südliche Vorort von Luzern. Doch Horw mit seiner malerischen Halbinsel ist beileibe kein Anhängsel von Luzern, sondern kann mit seiner wunderbaren Lage zwischen Vierwaldstättersee, Pilatus und der Stadt Luzern punkten und ist dementsprechend beliebt bei den Schönen und Reichen des Landes. So hat beispielsweise der Schweizer Musikbarde DJ Bobo auf der Horwer Halbinsel seine Heimat gefunden.
Der Swiss City Marathon Lucerne zieht das internationale Läufervolk seit zwölf Jahren in die zweifellos schönste Stadt der Innerschweiz. So hörte man am Sonntag beileibe nicht nur die vier Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Räto-Romanisch.
Am Start waren Läuferinnen und Läufer aus allen Schweizer Kantonen und dem Ausland, ein großer Teil davon aus Italien, dem diesjährigen Gastland des Swiss City Marathon Lucerne. 10150 Finisher verzeichneten die Veranstalter: 1074 im Marathon, 6345 beim Halbmarathon. Damit stellt der Swiss City Marathon Lucerne erneut den größten Halbmarathon der Schweiz. Über zehn Kilometer beendeten 2072 Läufer erfolgreich das Rennen. Im Duo Marathon liefen 89 Teams über die Ziellinie.
Auch wenn das Wetter nicht so mitspielte, zogen die Organisatoren ein zufriedenes Fazit: „Das Wetter konnten wir nicht beeinflussen. Alles andere hatten wir im Griff“, sagte Geschäftsführer Reto Schorno.
Zurück zum Renngeschehen: Das Marathon-Rennen war eine One-Man-Show des Elias Gemperli aus Frauenfeld. Der 23-Jährige lief ein starkes Rennen allein an der Spitze und gewann mit einer Zeit von 2:27:52,9 Stunden. Er hatte damit mit über vier Minuten Vorsprung. „Das Rennen lief gut und die Temperatur war angenehm. Aber es war hart, so lange allein zu laufen“, bilanzierte Gemperli, der derzeit eine Ausbildung zum Lokführer in Luzern absolviert. Zweiter wurde Stefan Schmauder aus Diepoldsau in 2:32:25,2 Stunden vor dem Chamer Philipp Arnold, der eine Zeit von 2:34:29,9 Stunden lief.
Über ihre bisher schnellste Zeit in Luzern freute sich Franziska Inauen, die bereits zum dritten Mal ganz oben auf dem Treppchen stand. „Es war einmal mehr herrlich“, sagte Inauen. „Die Stimmung und die Umgebung in Luzern verleihen mir Flügel.“ Wie viele Läufer hatte auch die Marathonsiegerin mit den kühlen Temperaturen zu kämpfen. „Die Kälte war fordernd. Zeitweise fühlten sich meine Oberschenkel wie Eisblöcke an.“ Auf Rang zwei lief Isabell Gindrat-Keller aus Fribourg in 2:52:09,2 Stunden. Im letzten Jahr war sie noch Dritte geworden. Rang drei sicherte sich die Britin Jordan Foster.
Im Halbmarathon der Männer gewann Stefan Hendtke aus Potsdam in 1:09:18,7 Stunden. „Am Schluss war es echt hart, ich musste kämpfen“, sagte Hendtke nach dem Zieleinlauf. Seine persönliche Bestzeit über 21,1 Kilometer lief Hendtke am 11. Februar in Barcelona (1:06:29 Stunden). Offensichtlich ist Spanien für den 27-Jährigen ein gutes Pflaster, denn auch seine Marathon-Bestzeit lief er am 19. November des vergangenen Jahres in Valencia. Diese steht aktuell bei 2:21:44 Stunden. Nahezu das gesamte Rennen über lief der Potsdamer Seite an Seite mit David Keller aus Menziken, der mit knapp neun Sekunden Rückstand das Verkehrshaus erreichte. Der Brite Mark Pearce wurde Dritter. Hinter Andrea Meier vom LC Uster (1:17:31,7 Stunden) erreichten Nina Zoller aus Chur und Barbara Jurt aus Beckenried das Ziel.
Ergebnisse: https://services.datasport.com/2018/lauf/lucerne/
Informationen: https://www.swisscitymarathon.ch/
Text: Saskia Helfenfinger-Jeck / Fotos: Dominique Helfenfinger