„Life skills education – das friedliche Bekämpfen des Gegners.“ Gegeneinander Radfahren und dabei die Grundwerte für ein friedliches und respektvolles Miteinander erlernen.
Mit dem Projekt „Radsport Libanon“ verfolgen der zweifache Olympiasieger Guido Fulst (zuständig für die Beratung und das Training) und seine Frau Janine Strunz (Projektleiterin und sportwissenschaftliche Betreuerin) nicht nur den Wunsch, den Radsport im Libanon effizient auszubauen, sondern die Kraft des Sportes zu nutzen, Menschen zu verbinden und friedlich eine gemeinsame Leidenschaft (er)leben zu können.
Erleben ist das richtige Stichwort! Denn man muss sich nur die leuchtenden Augen der beiden libanesischen Radsportler Youssof Mrad (17) und Garen Arabkirlian (17) ansehen, um zu wissen, dass ihr Besuch in diesem Sommer mehr als nur eine besondere Erfahrung war.
Gemeinsam mit dem Präsident des Libanesischen Radsportverbandes (Abdo Nader) waren die beiden für zwei Wochen in Berlin. Es sind Bilder, die pure Leidenschaft festhalten. Dankbarkeit. Wissbegierde. Voller Enthusiasmus saugen die beiden alles auf, was ihnen Janine und Guido mitgeben.
Wo das Herz der sportliche Antrieb ist, sind automatisch auch Respekt und Freundschaft mit von der Partie.
Exzellenz. Respekt. Freundschaft.
Die drei Werte des sportlichen Wettkampfes, wie es sich Abdo Nader als Prämisse für den Sport und speziell dem Radsport wünscht.
Heißt: Aus sich das Bestmöglichste herausholen. Versuchen, immer ein Stück besser zu werden. Erfolg an sich auszumachen und nicht an der Platzierung. Ein Gewinner sein, weil man sich selbst besiegt hast! Mit Worten von Abdo Nader: „Fordere dich selbst heraus, um besser zu werden als gestern!“
Gleichzeitig lernt man auf diesem Wege, die Leistung seiner Mitstreiter wertzuschätzen, ohne Missgunst zu empfinden.
Sport ist nämlich – und ich sage es gerne auch noch ein fünftes Mal – mehr als nur Leistung! Sport hat die Kraft, Menschen zu verbinden – gleich welcher Religion sie angehören, gleich welche Lebenseinstellung sie haben und welche Ansichten sie verfolgen. Dieses Gemeinschaftsgefühl durften wir zuletzt bei den Olympischen Spielen und aktuell bei den Paralympics in Rio erleben.
Aber auch unsere beiden Radsportler Youssof und Garen sind ein gutes Beispiel dafür, dass wir über den Sport Freundschaften schließen. Und dabei interessiert es nicht, dass der eine Muslime und der andere Christ ist. Sie sind Freunde, kennen sich von Wettkämpfen im Libanon und agieren ohne jeglich ersichtliche Grenze. Sie teilen die Freude und leben den Sport.
„Zu sehen, mit wie viel Spaß und Ehrgeiz sie an die Sache ran gehen… Diese Offenheit und sichtliche Dankbarkeit. Diese Leidenschaft möchten wir einfach unterstützen und fördern“ erklärt Janine und betont, dass der Leistungssportler gerade durch diese ehrliche Hingabe angetrieben wird.
„Mit wenigen Mitteln, kann Großes getan werden! Aber es ist traurig mit anzusehen, dass sie WOLLEN, aber nicht KÖNNEN, weil es die Zustände in ihrem Land nicht erlauben. Deswegen möchten wir sie unterstützen!“ erläutert Janine weiter.
Für Guido und seine Frau ist es eine Herzensangelegenheit, Youssouf und Garen, den radsportbegeisterten Jugendlichen im Libanon zu helfen. Nicht nur, weil der Radsport quasi ein langwährender Teil der Familie ist – „Am Wochenende sind wir und unser neunjähriger Sohn eigentlich immer mit dem Rad unterwegs!“ – , sondern auch weil die Zusammenarbeit mit den beiden Libanesen emotional prägt.
Auch für Youssouf und Garen sind Janine Strunz und Guido Fulst mehr als nur Wegweiser. „Sie sind wie Eltern für uns…“ Selbstverständlich wird dann auch anlässlich des 18. Geburtstags von Youssouf eine kleine – typisch deutsche – Fete samt Kaffee und Kuchen organisiert.
Jetzt hoffen Guido und Janine, dass sich ihr Projekt erfolgreich etabliert, sodass sie im nächsten Jahr im Libanon vor Ort ansetzen können. Dann kann das Projekt auch unter Einbeziehung des Genderaspekts weiter gesponnen werden: „Denn viele Frauen haben im Libanon nicht einmal die Möglichkeit, Sport zu treiben!“
Sport öffnet Türen und Herzen, rüttelt an festgefahrene Riten und Praktiken. Sport integriert. „Genau das müssen wir nutzen!“
Innerhalb des zweiwöchigen Programms in Berlin stand an zwei Tagen daher auch ein Training mit den Radsportlern der 10 Klasse an der Eliteschule des Sports (Flatow OS) an. Zudem sollte beim gemeinsamen Englischunterricht mit- und voneinander gelernt werden.
Youssouf und Garen als auch Abdo Nader nehmen viele prägende Eindrücke in ihr Land mit, die das Training und die Zustände vor Ort neuen Anreiz geben sollen, sich positiv zu entwickeln. Denn bislang kennen sie nur befahrene Highways, deren Autos sie zu überfahren drohen, gefährliche Schlaglöcher und ein Training, das grundlegende Aspekte eines effektiven Trainings ignoriert – weil sie es nicht besser wissen.
Zumindest stimmt die Voraussetzung: Leidenschaft! Und dasselbe gilt für Guido Fulst und Janine Strunz – denn genau das treibt auch sie an!