Geht man nach den Internationalen Wettkampfregeln des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, ist „Oben ohne“ Pflicht bei den Langstrecklern.
Die moderne Technik macht es möglich. Die kleinen Musikgeräte, „früher“ waren es die ersten „Eier-Pötte“, nämlich die mobilen Musikgeräte von Apple und weiteren Firmen, heute noch sind es hochtechnische „MP3-Player“, oder aber Smartphones mit großem Speicherumfang an Musik-Downloads. Die Geräte sind keine besondere Gewichtsbelastung mehr. In den Anfängen der „Walk-Männer“ der Firma Sony vor rund 40 Jahren mögen die Geräte mit ihrem Laufwerk für Kassetten noch etwas sperriger gewesen sein und die Stöpsel für die Ohren unkomfortabler. Heute gibt es für den Läufer, der mit akustischer Unterstützung laufen möchte, eine große Zahl an möglichen Geräten und Utensilien.
Doch im Wettkampf, sogar im Volkslauf, müssen diese technischen Doping-Geräte tabu sein.
Überhaupt ist die Läuferschaft eher zweigeteilt in dieser Frage. Viele Sportler laufen schon immer völlig „oben ohne“. Sie wollen ihre Umgebung wahrnehmen, den Vogelgesang hören. Auch Hundegebell der Läufer jagenden Vierbeiner oder die Klingel des Radfahrers müssen vernommen werden. Doch im Wald und auf den Straßen sind auch häufig trainierende Sportler mit Kopfhörern im Ohr unterwegs. Sie lassen sich dabei bei ihren langen Einheiten inspirieren, ablenken oder motivieren. Nicht immer bekommen sie mit, ob sich Radfahrer, Hunde oder Autos nähern. Wenn sie schon viele Stunden in den Joggingschuhen unterwegs sind, dann wird von ihnen die freie Zeit eben gerne doppelt genutzt. Laufend und hörend. Sogar Vokabeln oder Fremdsprachen lernen geht mit dem Knopf im Ohr. Vom Sportler als zum „Steiff-Läufer“. Beim Training auf öffentlichen Wegen aber nur eine Frage der Verkehrssicherheit.
Aber auch bei manchen Volksläufen oder gar bei offiziellen Meisterschaften mischen sich Sportler unter die Teilnehmer, die sich mit flotter Musik den nötigen Kick holen, um die Strapazen durchzuhalten. So werden immer wieder bei den offiziellen Meisterschafts-Läufen Sportler gesichtet, die mit Musik im Ohr die Strecke in Angriff nahmen. So etwa bei den Pfalz-Berglaufmeisterschaften im November in Maikammer hoch auf die Kalmit.
„Laut der Internationalen Wettkampfregel (IWR) Nr. 144.3b ist der Besitz und Gebrauch von Mobilgeräten, CD-Playern, Mobiltelefonen und ähnlichem im Wettkampfbereich als Unterstützung anzusehen und damit nicht erlaubt“, zitiert Thomas Beyerlein, Kampfrichterwart des Leichtathletikverbandes Pfalz (LVP) auf Anfrage. Und er konkretisiert, dass die Sportler gemäß der Regel 144.2 vom zuständigen Schiedsrichter verwarnt und darauf hingewiesen werden sollten, dass sie im Wiederholungsfalle vom Wettbewerb auszuschließen seien. Für die Straßenläufe wird dies in Regel 125.9 laut Beyerlein weiter ausgebaut. Dort heißt es: „Der Schiedsrichter spricht, soweit dies möglich ist, vor einer Disqualifikation zunächst eine Verwarnung aus.“
Beyerlein erklärt: „Bei Meisterschaften wird dies auch, soweit festgestellt, entsprechend sanktioniert. Auch bei den Volksläufen ist diese Regel anzuwenden, wird aber deutlich lockerer gehandhabt.“ Die Gründe, wieso bei Volksläufen kein so strenges Augenmerk auf die Einhaltung der Regel gelegt wird, sieht Beyerlein darin, dass einerseits nicht genügend Personal da sei, um den gesamten Bereich zu überwachen. Andererseits wolle man auch die Leute vom Laufen begeistern und nicht durch strenge Regelauslegungen abschrecken.
Wenn allerdings in einen Volkslauf eine offizielle Meisterschaft integriert sei, solle darauf geachtet werden, ob Läufer mit Technik unterwegs sind, was aber nicht immer einfach sei oder auf Verständnis treffe.
Bestraft werden müsse das Vergehen, sobald der Schiedsrichter davon Kenntnis erhalten, zum Beispiel durch einen Protest. Jedoch habe er bislang noch keinen Einspruch während seiner 15-jährigen Tätigkeit als Kampfrichter wegen des Gebrauchs elektrischer Geräte erlebt, so Beyerlein.
Lothar Spilke, Trainer des TV Gimmeldingen, erklärt dazu auf Anfrage: „Ein Läufer, der sich nicht an die Regeln hält, sollte disqualifiziert werden. Als ehemaliger Mittelstreckler weiß ich, dass ich vor allem bei langen Läufen, mit Musik immer schneller laufe als ohne. Der Rhythmus oder die spezielle Art der Musik kann den Läufer richtig gut motivieren und von den „Schmerzen“ ablenken.“ Aber im Training erlaube er seinen Sportlern zur Abwechslung natürlich auch mal die Nutzung von musikalischer Unterstützung.
Dass sie mit Musik besser unterwegs sind, bestätigen auch die beiden Haßlocher Silas Krause und Timon Krause. Sie waren beim Nikolauslauf auf der sieben Kilometer Distanz mit Kopfhörern unterwegs. „Wir wussten gar nicht, dass das offiziell nicht erlaubt ist“, gestanden sie. „Aber schnelle Musik hilft tatsächlich, die Geschwindigkeit hoch zu halten. Es erhöht die Motivation, im Takt zu bleiben.“ Da die beiden, die sich bei dem Volkslauf lediglich für ihre Sportarten Handball und Fußball fit halten wollten, nicht in die vorderen Ränge hinein liefen, wurde diese Art von technischer Unterstützung am Ende natürlich auch toleriert und nicht sanktioniert.
Emil Leibrock, 16-jähriger Mittelstreckler des LC Haßloch, der aber auch gerne auf längeren Strecken unterwegs ist, um für seine Distanzen über 1500 Meter und 3000 Meter die entsprechende Wettkampfhärte zu erhalten, sagt: „Wenn man wirklich richtig schnell laufen möchte, dann stören diese Stöpsel im Ohr. Die Musik lenkt mich sogar von der richtigen Konzentration ab.“
Und Joachim Tremmel, Vorsitzender des LCH, ergänzt: „Mittlerweile sind auch bei Stadionwettkämpfen innerhalb der Anlage alle Geräte verboten, die zum Einlaufen oder während des Wettkampfes zur Entspannung dienen. So lege ich zumindest die IWR-Regeln aus.“ Roland Schröder, Neustadter Pressesprecher des LVP, erklärt zur Problematik: „Ob man nun mit Taucheranzug oder Kopfhörer unterwegs ist, eine optimale Ausrüstung ist das nicht. Und man wird mit solchen Utensilien gewöhnlich auch nicht Meister.“
Für die Masse der Läufer ist es letztlich eine Frage der Einstellung. Die Genussläufer, die lieber einsam ihre Runden drehen, schotten sich dann eben ab und stecken die Ohrstöpsel auf. Und gerade zu Trainingszwecken sind auch ab und zu mal Fotos von prominenten DLV-Stars mit Kopfhörern zu entdecken.
Sollten sich die Läufer, und seien sie auch nur zum Hobby unterwegs, bei einer Landes- oder Bezirksmeisterschaft auf die Langstrecke aufmachen, dann sollten sie fairerweise auf das „Gehirn-Doping“ mittels Musik verzichten. Diese Erkenntnis sollte sich nun auch bei denjenigen festsetzen, die bislang mit Berieselung unterwegs waren. Schließlich sagt doch eine gute, alte Weisheit „immer genug Puste übrig haben, um mit seinem Nebenmann noch reden zu können.“ Und das geht besser ohne Kopfhörer.