Einer der drei Makronährstoffe, die wir mit unserer täglichen Nahrung zu uns nehmen, sind die Proteine oder Eiweiße. Insbesondere in der Ernährung von Sportlern spielt dieser Nährstoff eine wichtige Rolle und es wird viel darüber diskutiert, wie hoch der Eiweißbedarf von Sportlern ist. Hierbei sollte zwischen den unterschiedlichen Sportarten unterschieden werden. Im Folgenden wird der Eiweißbedarf von ambitioniert trainierenden Ausdauersportlern unter die Lupe genommen.
Erhöhter Bedarf im Leistungssport
Generell wird für die Allgemeinbevölkerung von einem Proteinbedarf von 0,8 bis 1g pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag ausgegangen. Das entspricht bei einer 70kg schweren Person also 56 bis 70g Eiweiß pro Tag. Diese Menge ist mit einer normalen, ausgewogenen Kost relativ leicht zu erreichen. Hierzulande wird häufig deutlich mehr Eiweiß konsumiert. Bei ambitioniert trainierenden Sportlern erhöht sich der Bedarf jedoch. Während der Kraftathlet in erster Linie Muskelmasse aufbauen möchte, sind beim Ausdauersportler die Proteinverluste durch die beim Training auftretende Muskeldegradation erhöht. Um die zerstörten Muskelproteine wieder aufzubauen, wird ein Mehrbedarf benötigt. Außerdem erfolgt ein geringer Anteil der Energiebereitstellung (2-8%) während der Belastung aus Aminosäuren, vor allem werden hier die verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Isoleucin und Leucin oxidiert. Somit ergibt sich ein deutlicher Mehrbedarf an Eiweiß für den Ausdauersportler im Vergleich zum Nichtsportler. Die empfohlene Tageszufuhr liegt bei 1,2 bis 1,8g pro Kilogramm Körpergewicht. Ein 60 kg schwerer Läufer hätte somit einen Bedarf von 72 bis 108g pro Tag. Nimmt man den Mittelwert von 90 g und bedenkt man die erhöhte Kalorienzufuhr von Leistungssportlern, erkennt man, dass diese Menge ebenfalls relativ einfach mit einer gewöhnlichen Mischkost und ebenso mit einer (ovo-lacto-) vegetarischen Ernährungsweise (mehr Info dazu in einem früheren Beitrag von mir) zu erreichen ist.
Um eine optimale Leistungsfähigkeit und Regeneration zu gewährleisten, sollte der Sportler bezüglich der Eiweißzufuhr jedoch einige Dinge beachten. So ist der Proteinbedarf bei intensiven, bei langen und auch bei neuartigen Belastungen besonders erhöht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass neben der Oxidation von Aminosäuren bei intensiven Belastungen die Muskelschädigungen besonders hoch sind. Gleiches gilt für Belastungen, die die Muskulatur bisher noch nicht gewohnt war. Hier tritt häufig der allseits bekannte Muskelkater auf, welcher durch Mikroverletzungen in den Muskeln verursacht wird. Nach einer Weile hat sich die Muskulatur an diese Belastungen adaptiert und der Muskelkater sowie der Mehrbedarf an Protein nehmen ab. In Trainingsphasen mit einem hohen Umfang, hoher Intensität oder neuen Trainingsinhalten sollten die Sportler also besonders darauf achten, ihren erhöhten Bedarf an Eiweiß zu decken.
Menge und Zeitpunkt sind wichtig
Bei der Eiweißzufuhr ist neben der Menge auch der Zeitpunkt von großer Bedeutung. Wie bereits erwähnt, führen intensive und/oder lange Ausdauerbelastungen zu Schädigungen der Muskulatur; der Körper des Athleten befindet sich also in einer katabolen (abbauenden) Stoffwechsellage. Um eine optimale Regeneration zu gewährleisten, sollten möglichst rasch nach Beendigung des Trainings Proteine zugeführt werden. Um die anabolen Prozesse einzuleiten, empfiehlt es sich beispielsweise, 10g eines gemisches essenzieller Aminosäuren zu konsumieren (Campbell et al, 2007). Die Autoren hoben die Rolle der verzweigtkettigen Aminosäure Leucin hervor. Wenn der Leucin-Anteil der 10g essenzieller Aminosäuren 3,5g ausmachte, war die Muskelproteinsynthese nach der Belastung in einer durchgeführten Studie deutlich höher als bei einem Leucinanteil von nur 1,87g. Leucin wird von der Muskulatur bevorzugt zur Oxidation herangezogen und gilt als „Signal-Aminosäure“ für die Muskel-Protein-Synthese, also für die Regeneration (Layman, 2002). Als empfohlene Menge an Eiweiß direkt nach der Belastung werden 10g essenzielle Aminosäuren oder 20g eines hochwertigen Nahrungsproteins (in welchem zumeist ca. 10g essenzielle Aminosäuren enthalten sind) diskutiert (Campbell et al, 2007). Besonders nach intensiven Belastungen empfiehlt sich die Proteinzufuhr in Kombination mit Kohlenhydraten, sodass auch die entleerten Glykogenspeicher wieder aufgefüllt werden. Ein Kohlenhydrat-Eiweißverhältnis von 2:1 bis 3:1 ist hier wohl empfehlenswert; einige Regenerationsgetränke enthalten in etwa dieses Verhältnis. Ansonsten sind Milchgetränke oder ein Kohlenhydratgetränk plus ein Proteinriegel sinnvolle Varianten. Der Fettgehalt sollte hier möglichst nicht zu hoch sein, damit die Verdauung nicht unnötig verzögert wird.
Außerdem kann es vorteilhaft sein, direkt vor und auch während der Belastung nicht nur Kohlenhydrate, sondern auch Aminosäuren zu konsumieren. So sorgte die Anreicherung eines Kohlenhydrat-Getränks mit verzweigtkettigen Aminosäuren, also den sogenannten BCAA (branched-chain amino acids), dafür, dass während eines 25km-Rennens die BCAA-Spiegel im Blut aufrechterhalten wurden und ein Enzym, das für Muskel-Degradation verantwortlich ist, weniger stark anstieg (Koba et al, 2007). Neben den verzweigtkettigen Amnosäuren ist auch Arginin besonders interessant für Ausdauersportler. Diese Aminosäure dient im Körper als Ausgangs-Substanz zur Synthese von Stickstoff-Monoxid (NO), welches einen gefäßerweiternden Effekt hat. Somit sollte die Blutzirkulation und damit die Nährstoffversorgung der Muskulatur während Ausdauerbelastungen verbessert werden. In einer Studie mit Radfahrern wurde eine bessere Kohlenhydratverbrennung durch zugeführtes Arginin festgestellt (Rowlands et al, 2012). Insgesamt ist die Datenlage diesbezüglich jedoch nicht eindeutig.
Generell empfiehlt es sich, die Eiweißaufnahme gleichmäßig über den Tag zu verteilen (vgl. Denise Webb, 2014), also beispielsweise dreimal ca. 30g am Tag zu konsumieren. In den Mahlzeiten nach dem Training darf es inklusive der direkt nach dem Training erfolgten Zufuhr natürlich etwas mehr sein, dafür zum Frühstück vielleicht etwas weniger. Allerdings empfiehlt auch der Nährstoffexperte Dr. Wolfgang Feil, in jeder Mahlzeit auf Proteinträger zu achten.
Eiweiß-Qualität
Neben der Gesamtmenge sowie dem Zeitpunkt der Eiweißaufnahme ist die Qualität der unterschiedlichen Proteine entscheidend. Eiweiß ist nicht gleich Eiweiß. Proteine bestehen aus Aminosäuren, von denen 20 proteinogen sind, also in Körperproteine eingebaut werden. Diese werden vom Körper also benötigt. Jedoch müssen nur neun Aminosäuren dem Körper unbedingt über die Nahrung zugeführt werden, sind also unentbehrlich (oder essenziell). Die restlichen Aminosäuren können aus diesen hergestellt werden. Zur Beurteilung der Qualität eines Nahrungsproteins wird häufig die biologische Wertigkeit herangezogen. Diese misst, wieviel von einem aufgenommenen Eiweiß in Körpereiweiß eingebaut wird. Wichtig hierfür ist das Aminosäureprofil des Nahrungsproteins und speziell der Gehalt an essenziellen Aminosäuren. Eine sehr hochwertige Proteinquelle stellt das Hühner-Vollei dar und dessen biologische Wertigkeit wird in der Ernährungswissenschaft als Referenzwert von 100% festgelegt.
Tierische Proteine weisen zumeist eine höhere Wertigkeit auf als pflanzliche (s. Tabelle) und die tierischen Eiweißquellen haben zumeist auch den höheren Eiweißgehalt. Zudem ist die Verdaulichkeit von pflanzlichen Proteinen etwas geringer als jene von tierischen Proteinen. Allerdings haben tierische Proteinquellen häufig einen acidierenden, also Säure-lastigen Effekt auf den Organismus und sind des Öfteren von hohen Gehalten anderer Inhaltsstoffe wie etwa Purinen oder gesätigten Fettsäuren begleitet, die man in nicht so hoher Menge konsumieren sollte. Deshalb wird empfohlen, einen etwas höheren Anteil an pflanzlichen Eiweißquellen in seinem Speiseplan zu haben. Wie die Tabelle auch zeigt, haben bestimmte Kombinationen von tierischen und pflanzlichen Proteinen eine noch deutlich höhere biologische Wertigkeit als das Vollei, so etwa Milch- und Weizenprotein, was beispielsweise in Form von Brot mit Käse sehr häufig gegessen wird. Die hohe Wertigkeit liegt daran, dass sich die Aminosäure-Profile der Nahrungseiweiße gegenseitig ergänzen. Übrigens gilt das auch für rein pflanzliche Eiweißkombinationen. Getreideprotein enthält viel Methionin und wenig Lysin; bei Hülsenfrüchten ist es umgekehrt. Wenn man also Bohnen und Mais miteinander kombiniert, erreicht das aufgenomme Eiweiß eine Wertigkeit, die in etwa der des Volleis entspricht. Dies ist besonders für Veganer interessant. Auch in anderen Ländern wie Indien oder Kenia, wo viel Reis oder Maisbrei mit Bohnen verzehrt wird, stellen die Menschen ihre Eiweißzufuhr auf diese Weise, ergänzt durch relativ kleine Mengen an Fleisch oder Milch, sicher.
Lebensmittel und Lebensmittelkombination | Biologische Wertigkeit |
---|---|
Vollei + Kartoffeln (36 % : 64 %) |
136 |
Milch + Weizenmehl (75 % : 25 %) |
125 |
Vollei + Soja (60 % : 40 %) |
124 |
Vollei + Milch (76 % : 24 %) |
119 |
Milch + Kartoffeln (51 % + 49 %) |
114 |
Vollei |
100 |
Kartoffel |
96 |
Rindfleisch |
87 |
Kuhmilch |
85 |
Sojamilch |
84 |
Reis |
82 |
Bohnen |
73 |
Mais |
72 |
Weizen |
59 |
Tab.: Biologische Wertigkeit ausgewählter Lebensmittel und -kombinationen (Biesalski et al. 2010)
Eine sehr hohe Eiweißzufuhr von über 2g pro kg Körpergewicht pro Tag wird kritisch gesehen, da durch die entstehenden Abbaupridukte die Nieren überlastet werden könnten. Dies gilt aber in erster Linie für Menschen mit Nierenfunktionsstörungen; bei gesunden Menschen ist das Risiko nicht so hoch. Ein Zuviel an tierischen Proteinen sollte jedoch vermieden werden, unter anderem weil die Kost dann meist zu Säure-lastig ist. Bei insgesamt geringer Kalorien- und Kohlenhydrataufnahme empfiehlt sich durchaus eine recht hohe Proteinzufuhr, damit nicht zu viele wichtige Körperproteine, unter anderem aus der Muskulatur und dem Immunsystem, abgebaut werden. Wer Gewicht verlieren möchte, kann vermehrt auf Eiweiß in der Ernährung setzen; schließlich haben eiweißreiche Lebensmittel eine gute Sättigungswirkung und die „nahrungsinduzierte Thermogenese“, also der Energieverbrauch zur Verdauung eines Nährstoffs, ist bei Proteinen höher als bei Fetten und Kohlenhydraten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Ausdauersportler einen erhöhten Proteinbedarf im Vergleich zu Nichtsportlern haben. Dieser liegt im Bereich 1,2 bis 2g pro kg Körpergewicht und Tag und ist mit einer normalen Kost zumeist leicht zu realisieren. Es empfiehlt sich eine Kombination der unterschiedlichen pflanzlichen und tierischen Eiweißquellen und der Proteinaufnahme unmittelbar nach intensiven Trainings- oder Wettkampfbelastungen sollte ein besonderes Augenmerk gelten.
Quellen
Pasiakos SM, McClung HL, McClung JP, Margolis LM, Andersen NE, Cloutier GJ, Pikosky MA, Rood JC, Fielding RA, Young AJ: „Leucine-enriched essential amino acid supplementation during moderate steady state exercise enhances postexercise muscle protein synthesis.“ Am J Clin Nutr. 2011 Sep;94(3):809-18
Koba T, Hamada K, Sakurai M, Matsumoto K, Hayase H, Imaizumi K, Tsujimoto H, Mitsuzono R: “Branched-chain amino acids supplementation attenuates the accumulation of blood lactate dehydrogenase during distance running.” J Sports Med Phys Fitness 2007 Sep;47(3):316-22.
Layman, D. K. (2002). „Role of Leucine in Protein Metabolism During Exercise and Recovery.“ Canadian Journal of Applied Physiology 27(6): 646-662.
Rowlans DS, Clarke J, Green JG, Shi X: „L-Arginine but not L-glutamine likely increases exogenous carbohydrate oxidation during endurance exercise.“ Eur J Appl Physiol 2012 Jul;112(7):2443-53
Densie Webb, PhD, RD: „Athletes and Protein Intake“ June 2014 Issue Today’s Dietitian Vol. 16 No. 6 P. 22