Und weiter geht’s in der Serie „Spitzensportreform? So denken die Athleten darüber!“ Wir geben unseren Spitzensportlern in diesen Tagen die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die geplante Spitzensportreform einzuklinken und ihre Ansichten und Optimierungsvorschläge bezüglich Leistungssport, Sportförderung und Nachwuchsarbeit mit uns zu teilen. Die Hintergründe dieser Diskussion haben wir bereits in einem vorigen Beitrag dargelegt und möchten jetzt, durch das Einbeziehen der Athleten, näher auf die Problematik eingehen.
Heute sprechen wir mit den schnellsten Zwillingen über die Mitteldistanz Elina und Olympiateilnehmerin Diana Sujew.
Larasch: Was würdet ihr am jetzigen System im Leistungssport verändern wollen?
Elina: Ich finde man sollte mehr in Sportler vertrauen und längerfristig investieren. Das bedeutet z.B. Verträge über einen längeren Zeitraum unterschreiben – ob mit Verein oder Sponsor. So fällt für den einen oder anderen auch der Druck weg „sofort“ abzuliefern. Es ist ja im Prinzip wie bei einem Unternehmen, das in eine neue Maschine investiert. Zu Beginn rentiert sich das vielleicht noch nicht, doch dann lohnt sich die Investition. Wechselt ein Athlet den Trainer, so braucht die Umstellung eben auch manchmal Zeit. Ein anderer Aspekt, den ich für sehr sinnvoll finde, ist die Zentralisierung. Es müssen nicht alle 800m-Läufer Deutschlands in Stadt X trainieren und leben, wenn sich aber welche, die sich auch menschlich gut verstehen, zusammen tun, dann erhöht sich die Qualität im Training und eventuell auch die Ergebnisse im Wettkampf. Eine leistungsorientierte und –starke Trainingsgruppe ist ein unheimlicher Motivationsbooster.
Diana: Ich stimme Elina zu. Eine Zentralisierung ist sehr wichtig, damit man sich messen kann. Die Wintersportler sind ein gutes Beispiel in Sachen Zentralisierung und sind Weltklasse. Vielleicht reicht es schon für mehrere Trainingslager eine Zentralisation zu schaffen. Es kann nicht sein, dass jeder sein eigenes Ding macht. Natürlich müssen das auch die jeweiligen Trainer so sehen und da mitgehen. In meinen Augen dürfen die Topleute ruhig weiterhin so gut es geht gefördert werden. Aber auch die Athleten auf dem Weg zu dieser „Spitze“ müssen – auch wenn abgespeckt- eine Unterstützung erhalten, sonst verlieren wir die breite Masse und haben nur noch eine kleine Spitze.
Larasch: Könntet ihr von der Sportförderung aktuell euren Alltag finanzieren?
Elina: Es ist schon möglich, ein solides Leben zu führen, aber eben nicht langfristig. Von Sponsorengelder und Wettkampfprämien kann man sich nicht viel ansparen, vieles wird dann in Trainingslager oder anderen Sportaufwendungen investiert. Mein Vertrag bei der Bundeswehr läuft am 28.02.2017 aus – dann fällt einem erstmal ein monatliches Gehalt weg. Doch man wird nicht fallen gelassen. Es gibt auch regionale Stiftungen oder länderbezogene wie die Hessische Sportstiftung. Es ist wie überall: Stimmt die Leistung, so stimmt auch einigermaßen das Portemonnaie.
Diana: Es ist eine große Unterstützung, die Bundeswehr oder die Bundespolizei als Sportförderung zu haben. Das monatliche Gehalt erleichtert es einem, den Sport 100% professionell durchführen zu können. Jedoch ist dies zeitlich begrenzt. Aktuell und zu dem jetzigen Zeitpunkt sage ich „ja“, aber man muss auch an die Zukunft denken und für schwierige Situationen Geld beiseitelegen.
Larasch: Was denkt ihr über die aktuelle Spitzensportreform?
Elina: Ich finde es wichtig, dass den Athleten gewisse Perspektiven aufgezeigt werden und so etwas wie eine Grundförderung bereitgestellt wird. Es bringt leider gar nichts, nur die absolute Spitze zu fördern. Davon werden die Medaillen in der Breite nicht mehr. Natürlich sollen Medaillen besonders vergütet werden, allerdings ist auch an die erweitere Spitze zu denken.
Diana: Die Spitzensportreform ist für mich absolut der falsche Weg den Leistungssport nach vorne zu bringen. Gerade im Laufbereich ist es so verdammt schwierig, an die Weltspitze zu kommen. Die Konkurrenz ist riesig. Eine Teilnahme für ein Großereignis ist meistens schon verdammt gut und schwer – und solche Athleten dann fallen lassen? Das fände und finde ich verdammt traurig. Man muss die Leistungen meiner Meinung nach in einen größeren Kontext sehen. Bei einer Olympiade starten neun Boote im Kanu und 45 Athleten im 1500m Lauf. Das sagt doch schon alles aus, wie viel größer die Konkurrenz ist und wie wahrscheinlicher es ist, im Kanu eine Medaille zu holen. Man muss also auch die erweiterte Spitze fördern. Das ist meine Meinung dazu.
Larasch: Wie würde eine optimale Sportförderung aussehen bzw. was müsste sie beinhalten?
Elina: Ein paar Punkte habe ich vorhin schon vorweggenommen. Perspektiven und Sicherheit – Meiner Meinung nach sind das wichtige Aspekte bei einer Sportförderung. Für Sportler, die in einer Großstadt wohnen, ist es zumal schwer, an Sponsoren ranzukommen, da Fußball über allem herrscht.
Diana: Eine optimale Sportförderung soll dem Sportler ermöglichen, seinen Sport professionell durchführen zu können und nicht am Existenzminimum leben zu müssen. Ein System wie in den USA mit den Sportcolleges wäre auch in Deutschland gut, so könnte man erst einige Jahre optimal Sport und Studium verbinden und dann entscheiden ob man Profi werden möchte bzw. werden kann.
Larasch: Wie nah liegen Fordern und Fördern noch beieinander?
Elina: Man fordert Medaillen, aber fördern will man nicht. 😀
Diana:. Ich stimme da Elina zu. Der Innenminister fordert 30% mehr Medaillen und möchte um 30% Fördermittel kürzen – da passt in meinen Augen etwas nicht zusammen. Auch wenn die mathematische Gleichung stimmt.
Larasch: Was bedeutet Sport heutzutage? Darf sich Leidenschaft entfalten oder muss sie sich hinten anstellen?
Elina: Leidenschaft muss vorhanden sein! Ohne Spaß, Hingabe und Willen schaffen es die Wenigsten ganz nach oben (meiner Meinung nach). Du willst ja nicht nur Sportler sein, sondern ein Athlet.
Diana: In erster Hinsicht hat jeder seinen Sport angefangen zu machen, weil man Spaß daran hatte. Im Laufe der Zeit merkt man schnell, ob man Talent hat oder nicht und investiert mehr rein. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich habe jeden Tag Lust zu laufen. Aber das Training ist zur Routine geworden und dennoch versucht man immer 100% bei der Sache zu sein. Also scheine ich immer noch Spaß und genug Leidenschaft reinzustecken 😉
Liebe Elina, liebe Diana, vielen Dank für dieses Gespräch und auf eurem weiteren Wege viele erfolgreiche Momente und lehrreiche Erfahrungen.