Und weiter geht’s in der Serie „Spitzensportreform? So denken die Athleten darüber!“ Wir geben unseren Spitzensportlern in diesen Tagen die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die geplante Spitzensportreform einzuklinken und ihre Ansichten und Optimierungsvorschläge bezüglich Leistungssport, Sportförderung und Nachwuchsarbeit mit uns zu teilen. Die Hintergründe dieser Diskussion haben wir bereits in einem vorigen Beitrag dargelegt und möchten jetzt, durch das Einbeziehen der Athleten als auch Trainer, näher auf die Problematik eingehen.
Heute haben wir die Gelegenheit einen ehemaligen Top-Athleten und jetzigen Trainer zur geplanten Leistungssportreform zu befragen – der einst sehr erfolgreiche Langstreckenläufer André Pollmächer.
Larasch: Was würdest du am jetzigen System im Leistungssport verändern wollen?
André: Es ist sicher schwierig, aus der Perpektive eines Sportlers, eines Trainers bzw. einer Disziplin Änderungen für ein komplexes System anzusprechen.
Larasch: Wie würde eine optimale Sportförderung aussehen bzw. was müsste sie beinhalten?
André: Wichtig bei der Frage der Förderung ist die Frage nach der Aufgabe des Spitzenverbandes. Wenn sich der Spitzenverband die Aufgabe gestellt hat, Olympiamedaillen zu „produzieren“ – und das in einem absoluten Leistungssportsystem -, dann muss man daraus die notwendigen Schlüsse hinsichtlich der Förderung ziehen.
Wenn man allerdings auch junge Athleten dort abholen möchte, an dem Punkt, wo sie sportlich in ihrem Leben stehen, sie begleiten und ihnen die Möglichkeit des Ausübens von Leistungssport bieten will, darf man Fördern nicht mit „Bezahlen nach Leistung“ verwechseln. Dabei ist dann Geduld über mehrere Jahre, Vertauen in die Trainerstruktur und in die Athleten gefragt.
Larasch: Was bedeutet das für den Nachwuchs?
André: Aus Sicht eines Läufers und eines Lauftrainers gebe ich hierbei zu bedenken, dass junge Talente ZUERST die Möglichkeit der hochleistungsgerechten Lebensweise (Grundabsicherung, Physiotherapie, Trainingslager etc.) erhalten müssen, bevor man ihnen auch ein entsprechnendes Weltniveau abverlangen darf. Umgedreht wird es eher ein Zufallsprodukt. Mal kann es jemandem gelingen, den Durchbruch zu schaffen, aber eine nachhaltige Struktur kann damit nicht geschaffen werden.
Larasch: Was denkst du über die aktuelle Spitzensportreform?
André: Das Konzept zur aktuellen Spitzensportreform ist ein 49-seitiges Papier, welches ich heute erstmalig in kompletter Form vor mir habe. Was man darüber vom Hören-Sagen kennt, welche Gerüchte oder Mutmaßungen oder Meinungen existieren, darf mich zunächst solange nicht interessieren, bis ich es in Ruhe und komplett gelesen habe.
Der grundsätzliche Gedanke, nach Chancen bei den Olympischen Spielen zu kategorisieren und danach die Förderung zu staffeln, kann für einige Sportarten oder Disziplinen der Todesstoß sein. Auch der Laufbereich kann eventuell dazugehören. Und dann muss man zumindest mal die Frage stellen, ob man überhaupt unterschiedliche Diszplinen oder gar Sportarten miteinander vergleichen kann.
Sicherlich hat jede Sportart große Herausforderungen, um in der Weltspitze vorne anzukommen. Aber ist Rennrodeln mit 100-Meter-Lauf, oder Schwimmen mit Reiten tatsächlich zu vergleichen? Wurde in Betracht gezogen, wie viele Nationen die jeweilige Sportart auf höchstem Niveau betreiben? Wurde die Vergleichbarkeit der Antidoping-Richtlinien auf nationaler Ebene der an einer Disziplin teilnehmenden Nationen geprüft?
Das sind nur einige Fragen, die das Konzept vielleicht beantworten kann. Dafür muss ich es aber erst lesen.
Eine Ursache für die Veränderungen lässt sich sicherlich aus Sicht der Leichtathleten ablesen: Wer gefordert hat, die Normen für die Olympischen Spiele so zu verändern, dass „Touristen“ oder „Entertainer“ beim größten und leistungsstärksten Wettkampf dabei sein dürfen, der muss sich nicht wundern, wenn dem ein Riegel vorgeschoben wird.
Larasch: Was bedeutet Sport heutzutage? Darf sich Leidenschaft entfalten oder muss sie sich hinten anstellen?
André: Wer Leistungssport betreibt – und das gilt nicht erst seit Kurzem – wird es mit Leidenschaft betreiben. Das gehört immer dazu und wird auch nicht verloren gehen. Sport ist sicherlich nicht das wichtigste auf der Welt, aber für einen Abschnitt in einem Sportlerleben, der begrenzt ist, kann es das durchaus mal sein.
Und die Trainer, Eltern und Funktionäre sollten genau diese Einstellung fördern. Jeder weiß inzwischen, dass es schwer ist, mit Sport seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber daran denkt kaum ein Kind, was mit Sport anfängt. Daran denkt auch kein Jugendlicher, der einfach „nur“ der Beste sein will. Die wesentlichen Motivationslagen für das Betreiben von Sport sind der Wunsch des Vergleichs mit anderen und der Wille nach Entwicklung. Entwicklung ist dabei ganz individuell zu sehen und diese Eigenschaften werden Sportlern für ihr gesamtes Leben helfen. Also sollte es das Ziel sein, Leidenschaft für den Sport zu wecken, Motivationen zu schaffen, Freude daran zu erhalten und damit generiert man sicherlich auch langfristig Erfolg!
Wir danken dir André, für deine Meinung zu einem aktuell sehr wichtigen Thema und wünschen dir, dass auch du als Trainer unter fairen Bedingungen arbeiten darfst. Bedingungen, von denen letzten Endes auch nur die Athleten profitieren.