Der Diplom-Psychologe Benjamin Koch ist seit neun Jahren als Sportpsychologe und Coach im Spitzensport tätig. Er unterstützt Leistungssportler, Trainer und Sportvereine bei ihrer Potentialerkennung und -entwicklung. Der Diplom Psychologe absolvierte eine Ausbildung zum psychologischen Trainer und Coach im Leistungssport am Bundesinstitut für Sportwissenschaft und ist Experte für psychologisches Training und Coaching im Spitzensport. Seine Schwerpunkte sind das mentale Training, die Hypnose, Misserfolgsbewältigung sowie die Teamentwicklung.
Larasch: Welche Rolle spielt der Kopf im Leistungssport?
Herr Koch: „Er spielt eine bedeutende Rolle. Zum einen steuert er das Erlernen und die Ausführung von Bewegungen. Darüber hinaus fordert der Leistungssport eine Reihe stabiler mentaler Fähigkeiten wie Motivation und Konzentration und hilft im Umgang mit Emotionen wie Angst und Wut. Doch nicht allein die persönlichen Eigenschaften, sondern ebenso das Umfeld, in dem der Sportler sich bewegt, hat einen großen, wenn nicht sogar den größten Einfluss. Vor allem die Einflussnahme des Trainers und die Unterstützung durch die Familie sind von großer Bedeutung. Bei großen Leistungsunterschieden ist die Psyche sicher nicht so bedeutsam. Aber je ähnlicher der Leistungsstand der SportlerInnen ist, desto mehr entscheidet der Kopf.“
Larasch: Welche psychischen Aspekte beeinflussen das Leistungsvermögen – positiv als auch negativ?
Herr Koch: „Vor allem vorangegangene Erfahrungen im Umgang mit Erfolg und Misserfolg beeinflussen das Leistungsvermögen der SportlerInnen. Hierbei ist eine stabile Persönlichkeit von Bedeutung. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen bleiben unangetastet von schwankenden Leistungen, je stabiler diese sind.“
„Dafür ist auch die Selbstwirksamkeitserwartung sehr bedeutsam. Die Überzeugung „Ich kann das schaffen“ zeugt davon, dass die Leistung der eigenen Kompetenz zugeschrieben wird.“
Larasch: Was kann uns dabei helfen, damit wir unser wirkliches Potenzial gänzlich abrufen können?
Herr Koch: „Um das Potenzial im richtigen Moment abrufen zu können, ist es zentral, die dafür nötigen Handlungsschritte zu internalisieren und automatisieren. Von Bedeutung ist, die Gedanken nicht auf die Hindernisse zu fokussieren, sondern auf die Mittel und Wege, diese zu überwinden. Eine intensive Wettkampfvorbereitung und das Erarbeiten von Routinen befähigt dazu, sich zu fokussieren und sich auf das zu konzentrieren, was im Moment wichtig ist.“
Stichwort mentales Training und Hypnose
Herr Koch: „Gerade die Hypnose kann dabei unterstützen im Wettkampf einen optimalen Wettkampfzustand zu erreichen. Die Techniken aus dem mentalen Training aber auch der Hypnose müssen natürlich auch trainiert werden bevor sie ihre Wirkung entfalten.“
Larasch: Wo liegt die gesunde Mitte aus Fordern aber nicht Überfordern?
Herr Koch: „Als LeistungssportlerIn ist es immer wieder notwendig, seine persönlichen Grenzen zu überschreiten. Zum einen sind Ziele immer herausfordernd und zum anderen braucht die Muskulatur Reize, um zu wachsen und natürlich muss der Sportler in Wettkampf permanent über seine Grenzen gehen.“
„Wichtig dabei ist, sensitiv für chronische Überaktivierungen zu sein und körperliche als auch psychische Warnsignale des Körpers zu erkennen. Den Aktivierungsphasen sollten immer regelmäßige Ruhephasen gegenübergestellt werden. So werden negative Folgen wie chronische Erkrankungen, Burnout oder chronische Schmerzen, wie Rückenschmerz vermieden.
Beispielsweise beschrieb Sven Hannawald die Symptome seines Burnouts als Teufelskreislauf, in dem er seinen Körper erst überfordern musste, um danach überhaupt Ruhe zulassen zu können. Die innere Unruhe habe ihn permanent angetrieben und die Körpersignale missachten lassen.“ (Quelle Handelsblatt)
Larasch: Wie lernen wir rücksichtsvoll mit unserem Körper umzugehen?
Herr Koch: „Der rücksichtsvolle Umgang mit dem eigenen Körper setzt voraus, dass man dazu in der Lage ist, bewusst Körperzustände wahrzunehmen und reflektieren zu können. Hierfür sind Übungen zur Sensibilisierung der Körperwahrnehmung, wie Aspekte des Achtsamkeitstrainings, ratsam.
Sind jedoch alle Kapazitäten auf das Erreichen der Ziele gerichtet, wird der gesunde Umgang mit dem eigenen Körper vernachlässigt. Hier kommt dem Umfeld der SportlerInnen eine besondere Bedeutung zu. Die Objektivität des Trainers und die Genauigkeit der Einhaltung von Trainingsplänen sowie die Unterstützung durch Physiotherapeuten, der Familie und Teammitgliedern können hier helfen.“
Larasch: Auf welche Signale können wir vertrauen?
Herr Koch: „Signale wie Erschöpfung, Schmerz, Unkonzentriertheit oder dauerhaft negative Gedanken sind erste Anzeichen für negative Auswirkungen der Leistungsbeanspruchung. Diese sollten ernst- und wahrgenommen werden und, wie schon erwähnt, sollten den Aktivierungsphasen in einem angemessenen Verhältnis Ruhe- und Genussphasen gegenüberstehen.“
Larasch: Wie lernen wir, den hohen Anforderungen standzuhalten und dem eigenen Anspruch gerecht zu werden?
Herr Koch: „Hierbei findet sich eine stetige Entwicklung, denn die Anforderungen an den Leistungssportler steigen kontinuierlich. Wichtig dabei ist, dass sich die Anforderungen von außen mit den persönlichen Anforderungen an sich selbst decken. Dies ist gleichzusetzen mit den Zielen einer Person. Werden fremdbestimmte Ziele einfach übernommen, sinkt die Motivation und Leistungsbereitschaft.“
„Weiterhin gehören Misserfolge zum Leben eines Leistungssportlers. Es ist somit unabdingbar, dass sich SportlerInnen so früh wie möglich eine gesunde Strategie zur Misserfolgsbewältigung aufbauen.“
Larasch: Wo fängt Motivation an und wo hört Ehrgeiz auf?
Herr Koch: „Motivation wird im täglichen Sprachgebrauch häufig unterschiedlich definiert. Es sollte hervorgehoben werden, dass die Motivation verantwortlich für das Initiieren einer Handlung ist. Sich beispielsweise dazu zu entscheiden, zum Training zu gehen.
Den Gedanken Taten folgen lassen, also zielgerichtet zu Handeln und das Training über Wochen aufrecht zu erhalten, wird als Volition bezeichnet. Beides ist gleichermaßen wichtig für den Erfolg.
Zur Steigerung der Motivation ist vor allem das Vorhandensein von herausfordernden Zielen unabdingbar. Ist der Ehrgeiz zu groß, so dass die Ziele unerreichbar werden, wirkt sich das wenig förderlich auf die Motivation und Leistung aus. Die Ziele können aus unterschiedlichen Gründen unerreichbar sein, beispielsweise durch fehlende Voraussetzungen, Unsportlichkeit, Krankheiten oder einer zu kurz gewählten Wiedereingliederungszeit nach einer Verletzung.“
„Hierbei kommt dem Umfeld wie Trainer, Eltern, Betreuern, Ärzten und Physiotherapeuten eine besondere Bedeutung zu, da die Athleten häufig eigene Grenzen ignorieren. Eine herausfordernde aber realistische Planung von Zielen und Trainern ist eher zielführend.“
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Der Mensch ist ein fühlendes Wesen, das sich seiner bewusst ist und deshalb dazu in der Lage, zu reflektieren und rücksichtsvoll zu handeln.
Manchmal ist die Leidenschaft aber so groß, dass sie Leiden schafft, weil wir ignorieren. Besonders dann, wenn der Kopf mehr will, als der Körper gerade kann.
Alles hat Grenzen und diese gilt es nur bedingt zu überschreiten, um seinen Zielen näher zu kommen.
Also, bleibt achtsam und hört hin, was Euch Euer Körper sagt! Und manchmal hilft es auf andere zu hören, die uns Dinge aufzeigen, die wir zuweilen bewusst übersehen und überhören.
So streng unser Ehrgeiz ist, so perfektionistisch unsere Ansprüche sind und so dick unserer Dickkopf manchmal auch sein mag – lasst Euch auch mal reinreden und eines Besseren belehren. Denn vielleicht werden wir dadurch am Ende erst (sportlich gesehen) besser!