Ab in die Großstadt. Auf nach Berlin. Lasst uns 10 Kilometer durch die Hauptstadt rocken.
Seit dem 12. Oktober 2008 läuft Berlin bei den einst durch ASICS gesponserten Grand 10 – jetzt Great 10k.
Der Newcomer auf deutschem Asphalt wurde bei der Premiere damals von den 5.363 Läufer regelrecht überlaufen. Auch in den Jahren darauf stiegen die Teilnehmerzahlen immer weiter an. Ziel war es, einen großen, international bedeutenden 10-km-Lauf auf die Beine zu stellen, bzw. viele Beine anzulocken, was dem Veranstalter „BERLIN LÄUFT“ (wurde 2008 gegründet und gehört seitdem zu den größten Laufveranstaltern in der Hauptstadt) offensichtlich gelang.
Die Strecke startet und endet vor dem Schloss Charlottenburg und führt unterdessen vorbei an der Siegessäule, der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, durch den Zoo Berlin und entlang der Schlossstraße zurück zum Schloss.
Im letzten Jahr war das Wetter deutlich einladender als heute, aber laut unserem Deutschen Marathon-Rekordhalter Arne Gabius – der dieses Mal aufgrund seiner Verletzung lediglich als Zuschauer dabei war – waren es beste Bedingungen für Bestzeiten: „Hauptsache gut warm machen. Danach läuft es schon!“
Obwohl der Neuseeländer Zane Robertson (Olympia-Zwölfte von Rio über 10.000 Meter) rekordverdächtig schnell unterwegs war und sich mit seinen 27:28min am Ende den Sieg sicherte, bleibt Leonard Komon weiter ungeschlagen. Dieser rannte den Kurs 2010 noch mal 16 Sekunden schneller. Bei den Frauen siegte die Schwedin Sarah Lahti mit 31:57min, was ebenfalls bedeutet, dass Joyce Chepkirui den Streckenrekord der Frauen weiterhin in 30:37min hält (gelaufen 2013).
Im Gegensatz zur DM über 10km Straße in Hamburg (am 9. September), entschied ich mich dieses Mal die Laufschuhe daheim zu lassen und im Ziel zu warten. Denn bekanntlich kommt man mit einem Durchschnittsverbrenner nicht so auf Trapp, geschweige denn hinterher und verpasst die Eliteleute dann gerne mal. Drum positionierte ich mich im Start-Ziel-Bereich und freute mich, endlich auch mal wieder nur als Zuschauerin dabei zu sein.
Wenn man nämlich selber läuft, liegt der Fokus oft streng auf der Strecke und weniger auf das belebte Surrounding. Besonders während des Warm-Ups schaut man nur in konzentrierte Gesichter.
Natürlich ist es immer eine Frage, mit welchen Ansprüchen man an den Start geht. Aber bei vielen werden auf Kommando alle Kraftdepots mobilisiert und dann heißt es nur: Vollgas!
Trotzdem habe auch ich mir heute einen Fokus gesetzt und mir den Philipp Reinhardt rausgepickt. Unser Larasch-Schützling und 3000m-Hindernisläufer kam gerade ‚frisch‘ aus dem Trainingslager in Zinnowitz und krönt die Härte wie jedes Jahr mit schnellen 10k in Berlin ab. Er verdreifacht also einfach seine üblichen 3000m (Hindernis – Bestzeit 8:44,60min, Bochum, 2016) und macht aus allen guten Dingen Drei und ein bisschen → also 10km.
„Hindernisrennen sind nur in der reinen Freiluftsaison ab Mitte Mai auf dem Wettkampfplan. Somit muss man sich in der Aufbauphase ‚Alternativen‘ suchen.“ Und diese Alternativen – Cross- und Straßenläufe – bedienen die auch für das Hindernislaufen entscheidenden Komponenten Kraft und Ausdauer.
„Das Herbsttraining ist besonders grundlagenorientiert. Daher passen 10er sehr gut in den Rhythmus.“ Und da Berlin quasi auf dem Rückweg liegt, hat der 22-Jährige nichts gegen einen kleinen Abstecher in der Hauptstadt einzuwenden.
2015 rannte er hier bereits seine bislang schnellsten 10km in 30:19min. Also ein gutes Omen. Wobei Philipp dies Jahr eher weniger mit einer neuen Bestzeit rechnete, schließlich ist er nach einer längeren Zwangspause erst seit Kurzem wieder ins Training eingestiegen.
Also nichts auf Biegen und Brechen erzwingen wollen! Zunächst ist er einfach glücklich darüber, wieder zu laufen und im Trainingslager die eher kleineren Erfolge zu erleben. Aber wie gesagt, dass ist kein Grund, das Auto nicht doch noch mal für schnelle 10k in Berlin zu parken und mit seinen Vereinskollegen die sieben Tage in Zinnowitz gebührend abzuschließen.
Naja ich sag nur so viel: 30:24Min (nur 6 Sekunden über seiner PB) und damit drittschnellster Deutscher ist doch ein ordentlicher Abschluss!
In Zukunft soll es aber erstmal weiter genau so schnell „über die ‚Böcke‘ gehen.“
Nachdem Philipp 2012 deutscher Jugendmeister wurde (in Mönchengladbach), war die Route für die nächsten Jahre vorgegeben.
Ob Philipp irgendwann den Weg von Steffen Uliczka nacheifert und Marathoni wird, ist aktuell aber keine Frage, mit der er sich auseinandersetzt. Noch will sich der Medizinstudent auf den 3000m mit Hindernissen austoben.
Toben, Spaß haben… so soll es doch sein! Aber mit ‚Spielen‘ allein ist es vorbei. Sein Trainer Armin Göckeritz, der ihn bereits seit 2004 betreut und ebenfalls aus Philipps Heimatort Worbis kommt, hat dem jungen Sprössling nämlich eines klar gemacht: „Wir sind jetzt im knallharten Männerbereich. Jetzt ist die Schonfrist vorbei und es gibt kein zurück mehr.“
Und das bedeutet Uni-Alltag und Training zu managen, um seine 10-12 Einheiten unterzukriegen.
„Mit dem Studium habe ich mir sicherlich nicht den leichtesten Weg parallel zum Leistungssport ausgesucht, allerdings finde ich es generell gut, etwas neben dem Sport zu machen. An manchen Tagen muss ich mich vom Sport und Training einfach ablenken und auf andere Gedanken kommen. Mit dem Studium verhält es sich genauso. Nach zwei Stunden lernen, freue ich mich mal aus der Wohnung zu kommen und suche mir die Abwechslung im Training. Inwieweit Leistungssport dann die beste Erholungsoption in Lernpausen ist, sei dahingestellt.“
Ehrgeizig und zielstrebig wie er ist, bekommt er das bislang aber alles gut unter einen Hut. „Allerdings wäre ohne die Unterstützung meiner Eltern das mit dem Hut im Übrigen auch recht schwierig!“ Und natürlich der Espresso und das Telefonat mit seinem Coach dürfen nicht fehlen und runden den Alltag ab.
Grundsätzlich aber kommt dir deine Medizin-Affinität doch bestimmt auch im Training zu Gute, oder?
„Ich denke nicht, das ich durch mein Medizinstudium ein besserer Sportler bin. An mancher Stelle schaue ich aus einem anderen Blickwinkel auf Verletzungen, Krankheiten oder sportmedizinische Faktoren. Ich würde das aber eher zu einem generellen gesundheitsbewussten Lebensstil unterordnen.“
Auch der Herr Doktor hat mal ein Schnupfen oder kann verletzungsbedingt nicht trainieren. Know-How hin oder her. Sicherlich lässt sich ein Profit daraus ziehen, aber das bedeutet nicht, dass man automatisch verschont bleibt.
Am Ende muss auch Philipp wie jeder andere an Defiziten arbeiten und hart trainieren. Die Leidenschaft und der Erfolgshunger ignorieren selbst im Kopf eines Arztes so manche belehrenden Fingerzeig, sodass ein „Tu das lieber nicht und setz einmal aus!“ gerne Mal bewusst überhört wird.
Glücklicherweise wird Philipp nicht allein gelassen und kann sich nicht nur auf seine Eltern und seinen Trainer verlassen. Daneben stehen auch Sponsoren und Förderer: „Hierzu zählen mein Verein (der LC Jena, dem er seit 2016 angehört), Larasch, der Laufladen Jena und die Thüringer Sporthilfe.“
Auf dass ihr als Team gemeinsam deine Ziele gesund und erfolgreich verfolgen könnt und du vor allem aber auch deinen Ehrgeiz und deine Willensstärke behältst, Studium und Leistungssport zu händeln!
Berlin bot uns in jedem Fall wieder einen kleinen Einblick, wie sich hartes Training im Wettkampf bewehrt. Weiter so!