Homiyu Tesfaye schlug im Winter ein wie eine Bombe. Der achtzehnjährige Athlet dominierte nicht nur die deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften, wo er sich über 1500m und 3000m souverän den Titel holte, sondern er konnte sich bereits bei den Aktiven den ersten Meistertitel sichern – über 1500m schlug er niemand geringeren als Vize-Europameister Carsten Schlangen. Auch in die Bahnsaison ist er vielversprechend gestartet. In Koblenz gewann er überlegen die 1500m der Männer in starken 3:41,40min. Was treibt den jungen Äthiopier an, was sind seine Pläne für diese Saison und wovon träumt er?
Dass Homiyu nicht nur auf der Mittelstrecke stark ist, zeigte er bei seinem Halbmarathondebüt bei den deutschen Meisterschaften in Griesheim. Stets in der Führungsgruppe vertreten, musste er erst im letzten Viertel aufgrund muskulärer Probleme abreißen lassen. Trotzdem reichte es noch für einen vierten Platz hinter Stefan Koch, Vitali Rybak und Musa Roba-Kinkal. „Ich weiß, dass ich noch schneller als 1:07 h laufen kann, zurzeit bestimmt im Bereich von 65min“, gibt sich der für die Eintracht Frankfurt startende Läufer selbstbewusst. Seit nunmehr eineinhalb Jahren ist Homiyu in Deutschland und fleißig am Deutsch lernen. Der Achtzehnjährige besucht zurzeit die 11. Klasse und sein Ehrgeiz zeigt sich auch in der Schule. „Ich möchte die deutsche Sprache so schnell wie möglich lernen und mein Englisch verbessern“, erklärt Homiyu. Außerdem mag er die Fächer Politik, Biologie und Geographie. Homiyu wohnt alleine in Frankfurt und versorgt sich selbst. „Ich koche gerne und oft, auch wenn ich nach dem Training und der Schule manchmal sehr müde bin. Am liebsten mache ich Nudeln mit selbstgemachter Tomatensoße.“
Seit Mitte März trainiert er nun unter dem erfahrenen Trainer Wolfgang Heinig. „Herr Heinig kennt sich überall aus. Ihm vertraue ich und von ihm kann ich viel lernen. Deshalb bin ich zu ihm gegangen und habe gefragt, ob ich in seine Trainingsgruppe kommen darf“, begründet Homiyu seine Trainerwahl. Dadurch hat er nun auch eine leistungsstarke Trainingsgruppe, unter anderem den zwei Jahre älteren Nico Sonnenberg. „Mit Nico verstehe ich mich auch privat super und wir können gut zusammen trainieren.“ Als Einstieg in die Sommersaison lief er 3000m in Wiesbaden. „Der Fokus liegt jedoch auf den 1500m bei den Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid“, erklärt Homiyu. Über die Gründe, warum er Äthiopien vor knapp zwei Jahren verlassen hat, redet er nicht gerne. „Ich möchte nicht immer wieder meine Geschichte erzählen. Ich lebe jetzt in Deutschland und bin sehr glücklich hier.“ Aus politischen Gründen kann er nicht mehr in sein Heimatland einreisen. Trotzdem zieht es ihn nächstes Jahr nach Afrika. Er möchte gerne ins Trainingslager nach Kenia fahren. „Afrika ist ein sehr schöner Kontinent. Man hat dort immer ein Lächeln im Gesicht“, begründet Homiyu seine Pläne.
In seiner Freizeit schaut sich der 18-jährige gerne Sportvideos an, meist von vergangenen Rennen wie z.B. dem Olympiasieg von Dieter Baumann 1992, den Olympiasiegen von Hisham El Guerrouj 2004 oder dem Europameistertitel von Jan Fitschen 2006. Hier holt er sich die Motivation und Inspiration für seine eigenen Rennen. Zurzeit sieht er sich eher auf der Mittelstrecke, doch beim Thema Marathon fangen seine Augen an zu leuchten. „Marathon fasziniert mich. 42,195km sind sehr lange aber ich träume davon, irgendwann diese Strecke zu laufen.“ Zu dieser Vielseitigkeit passen auch die Vorbilder des jungen Läufers. Er nennt hier seine Landsmänner Kenenisa Bekele und Haile Gebreselassie, aber auch Sprint Superstar Usain Bolt. „Mich fasziniert wie er seine Rennen gewinnt. Er ist der Schnellste und macht immer eine coole Show.“ Wer weiß, vielleicht hat sich Homiyu auch schon ein persönliches Siegestänzchen ausgedacht. Den Rhythmus im Blut und das Talent zum Siegen hat er. Man kann also gespannt auf die nächsten Rennen sein…