Anatomie
Um die Thematik des Sportherzes greifbar zu machen, möchte ich euch zunächst einen kurzen Einblick in die Anatomie des Herzens geben. Das zentrale Kreislauforgan besteht aus vier Herzkammern: dem rechten und linken Vorhof, sowie der rechten und linken Herzkammer (Ventrikel). Segelklappen trennen dabei die Vorhöfe von den Ventrikeln. In der Medizin wird die Segelklappe im rechten Herzen Trikuspidalklappe und im linken Herzen Mitralklappe genannt. Des Weiteren gibt es zwei Taschenklappen. Die Pulmonalklappe trennt den rechten Ventrikel von den Lungenarterien. Im linken Herzen ist die Aortenklappe für die Trennung von linkem Ventrikel und der Aorte zuständig. Die Herzwand setzt ich aus einer Innenschicht (Endokard), einer Muskelschicht (Myokard) und dem äußeren Herzbeutel (Perikard) zusammen. Zwischen den beiden Vorhöfen liegt das bindegewebige Vorhofseptum. Die beiden Ventrikel werden durch das Ventrikelseptum getrennt. Dieses hat einen muskulären und einen bindegewebigen Anteil.
Durch die Kontraktion des Herzmuskels wird das Blut in unseren Kreislauf gepumpt und zirkuliert dort. Sauerstoffarmes Blut fließt aus dem Kreislauf über den rechten Vorhof in den rechten Ventrikel und anschließend in die Lunge. Durch die Atmung wird es hier mit Sauerstoff angereichert. Im Gegenzug atmen wir das im Körper gebildete Kohlendioxid aus. Sauerstoffreiches Blut fließt dann über den linken Vorhof und die linke Herzkammer zurück in den Kreislauf und versorgt unsere Organe.
Adaptation in sportliche Belastungen
Vereinfacht dargestellt kommt es bei körperlicher Belastung zur Aktivierung des Sympathikus. Dieser Nerv des unwillkürlichen (autonomen) Nervensystems wird bei Stress aktiv. Durch diesen Aktivierungsreiz werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin freigesetzt und wirken systemisch auf unseren Körper und dessen Organe. Kurzfristig kommt es zu einer Steigerung der Herzfrequenz und einer Zunahme des Schlagvolumens (= die Menge Blut, die pro Herzschlag aus dem Herz gepumpt wird). Bei einer langjährigen Grundlagenausdauerbelastung auf den Körper passt sich das Herz nicht nur funktionell, sondern auch strukturell an diese Anforderungen an. Wichtig dabei ist die Dauer, Intensität und Art des Trainings für die Ausbildung des „Athlete’s Heart“. Ein Kriterium für die Ausbildung eines Sportherzens ist eine wöchentliche Ausdauerbelastung von mindestens 5 Stunden. Jedoch zeigt sich hier nur ein lockerer Zusammenhang, da es auch Sportler mit deutlich höherer Ausdauerbelastung und kaum kardialen Veränderungen gibt.
Anatomisch betrachtet haben Ausdauerathleten wie Langstreckenläufer, Triathleten, Skilangläufer oder Radfahrer die größten Herzen. Ebenfalls findet sich auch bei Sportlern mit laufintensiven Ballsportarten ein leicht vergrößertes Herz. Hingegen bleibt die Herzgröße bei Kraft-, Schnellkraft- und Koordinationssportarten unverändert. Durch die sportbedingte erhöhte Volumenbelastung des Herzens kommt es zu einer regulatorischen Dilatation der Herzkammern. Gleichzeitig findet sich eine Hypertrophie des Herzmuskels. Diese als exzentrisch bezeichnete harmonische Vergrößerung des Herzens ist eine physiologische Anpassung. Man kann also sagen, dass sich das Herz im Ganzen vergrößert, die Kammern erweitert und die Wanddicken erhöht sind. Des Weiteren passt sich auch die Durchblutung der Herzmuskulatur an. Analog zum Skelettmuskel findet sich eine vermehrte Kapillarisierung der Herzmuskulatur und die Blutgefäße weiten sich. Die Sportlerherzen können mit maximal 19-20ml/kg Körpergewicht doppelt so groß sein, wie die von untrainierten Personen (Mann: 10-12ml/kg KG, Frau: 9-11mm/kg KG). Trotz der Umbauprozesse am Herzen (Remodeling) bleibt das Herzgewicht unter der kritischen Masse von 500g. Ein sportmedizinisch wichtiger Parameter stellt der enddiastolische Durchmesser des linken Ventrikels dar und ist nur selten größer als 60mm. Für die Wanddicke des Herzens finden sich nur bei 2% der Sportler Werte von >13mm.
Wozu ist das alles gut?
Der Parameter für die Herzleistung ist das Herzminutenvolumen (HMV) und definiert die Menge Blut, die pro Minute vom Herzen in den Kreislauf gepumpt wird. Das HMV bildet dabei das Produkt aus dem Schlagvolumen (SV) und der Herzfrequenz (HF). Bedingt durch das Remodeling des Herzens, nimmt das Schlagvolumen bei Ausdauersportlern zu. Dies führt zu einer Ökonomisierung der Herzarbeit. In Ruhe beträgt das Herzminutenvolumen bei den meisten Menschen 5L/min. Bei Sportlern mit einem hohen Schlagvolumen sinkt daher die Herzfrequenz in Ruhe. Nicht selten liegt der Ruhepuls von Athleten im Ausdauersport deutlich unter dem der Normalbevölkerung und kann sogar bis knapp unter 30 Schläge pro Minute betragen. Ohne eine entsprechende Sportanamnese stellen diese Werte eine relative Schrittmacherindikation in der Kardiologie dar. Im sportmedizinischen Kontext ist das jedoch normal und erklärt sich mit dem Gegenspieler des Sympathikus. Der ebenfalls zum unwillkürlichen (autonomen) Nervensystem gehörende Parasympathikus ist in Ruhe- und Erholungsphasen dominierend. Durch die Ausdauerbelastungen wird gerade in Erholungsphasen der Parasymphatikus mit dem Nervus Vagus verstärkt aktiv. Allerdings bleibt dieser Effekt auf das Herz beschränkt und wird in der Literatur als „kardiale Vagotonie“ bezeichnet. Pro Herzschlag wird jedoch immer nur ein Teil des Blutes als Schlagvolumen in den Kreislauf gepumpt. Da das Sportlerherz größer ist als bei untrainierten Menschen, bleibt demzufolge eine größere Schlagvolumenreserve im Herzen zurück. Kommt es nun zu einer Trainingsbelastung, wird zunächst das Schlagvolumen erhöht und im zweiten Schritt steigt erst die Herzfrequenz an. Einer bedarfsgerechten Blut- bzw. Sauerstoffversorgung der Muskulatur wird somit gewährleistet. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Leistungssportler eine teilweise doppelt so hohes Herzminutenvolumen aufweisen (bis ca. 40L/min) [1]. Da die Muskeln im Ausdauerbereich auf eine aerobe Energiegewinnung angewiesen sind, ist die vermehrte Sauerstoffversorgung sehr wichtig. Zum erhöhten HMV kann in der Muskulatur auch noch die Sauerstoffausschöpfung aus dem Blut gesteigert werden. Bei untrainierten Menschen hingegen, ist die Schlagvolumenreserve niedriger und es kommt kurz nach der körperlichen Anstrengung schon schnell zu einer Zunahme der Herzfrequenz, um das Herzminutenvolumen zu erhöhen und so den Sauerstoffbedarf der Muskulatur zu decken.
„Je größer das Herzminutenvolumen ist, desto mehr Blut und damit auch Sauerstoff gelangt zur Arbeitsmuskulatur. Das HMV ist eine limitierende Größe für die maximale Sauerstoffaufnahme (VOmax) und stellt damit eine entscheidende Größe für die Ausdauerleistungsfähigkeit.“ [1]
Auch in der Sportmedizin bestätigen Ausnahmen die Regel. Nicht jeder Leistungssportler bildet automatisch ein Sportlerherz aus und wacht morgens mit einer Herzfrequenz von 34 Schlägen pro Minute auf. Daher kann man auch nicht von der Herzmorphologie auf die Leistungsfähigkeit eines Sportlers schließen. Ebenfalls spielt auch ethische Herkunft für die Ausbildung des athlete’s heart eine Rolle. Afrikanische Athleten zeigen zum Beispiel eine dickere Wand der Herzkammer bei normal großen Herzkammern. Daher müssen die kardialen Adaptionen immer unter verschieden Gesichtspunkten hinterfragt werden.
Sportler oder Patient? [2]
Neben der hier beschriebenen physiologischen Herzhypertrophie sollte eine pathologische Herzvergrößerung bzw. -verdickung abgegrenzt werden. Dabei kommt es durch zu einer Zerstörung der Faserstruktur und einem folgenden bindegewebigen Umbau [3]. Die häufigste Differentialdiagnose des Sportlerherzes ist die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM). Da dieses Krankheitsbild mit einem hohen Risiko zum Erleiden eines plötzlichen Herztodes assoziiert ist, stellt die Differenzierung einen elementaren Bestandteil in der Sportmedizin dar. Die jährliche Mortalitätsrate wird bei der HCM mit ca. 1,3-1,4% beschrieben. Mit ca. 26% stellt sie die häufigste Ursache eines belastungsinduzierten plötzlichen Herztodes dar. Bei der hypertrophen Kardiomyopathie kommt es zu einer Zunahme der Wanddicke (>13mm) bei normal großem (bis 55mm) oder sogar verkleinertem linken Ventrikel. Eine verminderte Herzfunktion ist letztlich die Folge dieser autosomal-dominat vererbbaren Erkrankung. Patienten mit einer hypertrophen Kardiomyopathie sollten daher keinen Leistungssport betreiben. In der Diagnostik werden ein Herzecho, EKG und final ein Kardio-MRT durchgeführt. Oft finden sich schon im EKG Auffälligkeiten, die nicht zu einem normalen Sportlerherz passen. Wichtig ist zu wissen, dass auch das Sportlerherz viele Facetten hat und deshalb die EKG-Beurteilung nicht einfach ist. Einige Befunde wären ohne sportlichen Hintergrund pathologisch. Eine therapeutische Trainingspause kann in der Unterscheidung einer HCM und eines Sportlerherzens dienen. Wie Studien zeigen, ist das kardiale Remodeling durch Ausdauertraining reversibel und bildet sich in einer Trainingspause langsam zurück.
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen einer Herzhypertrophie [4]:
– konzentrische Hypertrophie (verdickte Herzwände bei normaler Ventrikelgröße z.B. durch anabol-androgene Steroide)
– Kardiomyopathien: hypertrophe oder dilatative Kardiomyopathie (Differenzierung mit Kardio-MRT)
– Klappeninsuffizienzen: durch Insuffizienzen der Aorten- oder Mitralklappe kommt es zu einer doppelten Volumenbelastung mit folgender Muskelhypertrophie
Fazit:
Das Sportlerherz ist eine physiologische Anpassung des Körpers an den Leistungssport. Durch ein erhöhtes Schlagvolumen kann die Ruheherzfrequenz von Leistungssportlern kompensatorisch gesenkt werden. Unter Belastung hat das Sportlerherz ein gesteigertes Herzminutenvolumen und kann daher eine effizientere Sauerstoffversorgung der Muskulatur gewährleisten. Wichtig ist der Ausschluss der genannten Differenzialdiagnosen, um das Risiko für einen plötzlichen Herztod im Leistungssport auszuschließen. Ebenfalls ist eine Rückbildung des Sportlerherzens nach dem Leistungssport beobachtbar. Gibt es daher langfriste Folgen? Laut aktuelle Studien zeigen, dass sich die Lebenserwartung von hochtrainierten Leistungssportlern nicht verkürzt, sondern sogar verlängert [4]. Was die Füße, das Knie und die Hüfte davon halten, bleibt eine andere Frage.
Quellen:
1. Moosburger, K., Das Sportherz. Sportmagazin, 1994.
2. Bahlmann, E., K.H. Kuck, and C.A. Nienaber, [Athlete’s heart and hypertrophic cardiomyopathy: contribution on clinical and morphologic differentiation]. Dtsch Med Wochenschr, 2015. 140(15): p. 1158-64.
3. Stiefelhagen, P., „Verdicketes“ Herz: Sportler oder Patient? Medizin aktuell, 2016.
4. Kindermann, W.S., J., Die physiologische Herzhypertrophie (Sportherz). Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2014. 12.