Wie schnell man ganz oben ist und im nächsten Moment am Boden zerstört…
Das musste Hendrik Pfeiffer trotz Qualifikation für die Europameisterschaft in Amsterdam (Halbmarathon) und die Olympischen Spiele (Marathon) am eigenen Leib erfahren. Nicht nur physisch, sondern auch mental war es ein schmerzlicher Rückschlag, von dem er noch Monate später zehren musste.
„Das kann man nicht schön reden, es war eine ganz ganz schlimme Zeit!“
Als leidenschaftlicher Läufer nicht mehr laufen dürfen. Monate lang unweigerlich gebremst werden und nichts dagegen tun können. Der Verletzung hilflos ausgeliefert.
„Lange bin ich einfach nur vor mich her gedümpelt und wusste nichts mit mir anzufangen.“
Für viele Außenstehende und besonders Nichtläufer teilweise kaum nachvollziehbar. Wo die einen sich erst schwerfällig zum Sport aufraffen müssen, müssen andere davon abgehalten und ihnen erst Vernunft eingeredet werden.
Vernunft, die im Leistungssport nicht selten hinten angestellt wird und leider meist zu spät für Einsicht sorgt.
Und dann steht man da. Fühlt sich auf einmal leer. Ziel- und Antriebslos. Und das, obwohl die Zielstrebigkeit und Motivation, der Ehrgeiz und die Disziplin normalerweise tagtäglicher Begleiter eines Leistungssportler sind.
Aber jetzt scheint es keinen Grund zu geben, sich Tag ein, Tag aus neu herauszufordern und alles zu geben. Auch wenn der Kopf es möchte, muss der Körper dieses Wollen noch immer umsetzen können. Aber Hendrik konnte nicht. Seine Achillessehne erinnerte ihn jeden Morgen schmerzlich daran und jeder Schritt wurde zur Tortur.
Erst mit der Zeit lernt man, damit umzugehen und die Zeit dahingehend zu nutzen, einen anderen Wert aus ihr zu ziehen. Sportlich als auch menschlich.
Aus sportlicher Sicht verlagerte Hendrik das Leistungspensum vorerst auf Studium und Nebenjob. Aber auch auf die Nebenbaustellen, wie seine mangelnde Beweglichkeit und das oft zu kurz kommende Stabitraining.
Die Zeit zeigte ihm also, dass es noch einiges zu ändern bzw. optimieren gab und brachte die Einsicht, früher auf körpereigene Warnsignale zu hören und nicht stur darüber hinweg zu trainieren.
Bedeutet beispielsweise: „Ruhig auch mal eine Einheit ausfallen zu lassen, wenn es sein muss.“
Diese gewonnene Reife gilt es jetzt umzusetzen und nicht in den alten Trainingstrott zu fallen, nur weil es auf einmal wieder läuft. Die Gefahr ist nämlich groß, dass die gewonnenen Einsichten wieder in den Hintergrund rücken. Denn wie so oft im Leben, begreifen wir erst im Leid, was wir anders machen oder mehr wertschätzen sollten. Dass nichts selbstverständlich ist, auch wenn es im glücklichen Zustand selten Anlass gibt, sich mit Problemen zu beschäftigen. Wichtig ist, dass wir diese Einsicht und Rücksicht wahren und weitreichender vor- und zurückschauen, um im Jetzt nicht dieselben Fehler zu begehen.
Eine Einsicht war zudem, wie wichtig es ist, sich abzusichern, weil man nie weiß, was eine Verletzung anrichten kann. Also ein zweites Standbein, damit du noch Halt hast, wenn auf einmal der Boden unten den Füßen wegsackt und du unerwartet deine Sportkarriere beenden musst.
Gleichzeitig staut sich in jener Zeit aber die Motivation und Kraft, sich wieder ins Sportgeschehen zurückzukämpfen.
Aber nicht auf Teufel komm raus!
„Mit Spaß kommt der Erfolg von alleine. Ich wünsche mir einfach, das Laufen wieder genießen zu können und nicht jeden Tag mit Schmerzen zu beginnen und die ersten Meter nur zu humpeln.“
Nur so kann das nächste große Ziel am ersten Oktober in Köln angegangen werden, wo Hendrik die EM-Norm auf den 42,195km rennen möchte.
Aber das neue Jahr begann ja schon einmal zuversichtlich und die zwei Wochen Trainingslager in Monte Gordo lassen weiter hoffen.
Aller Anfang ist schwer, besonders wenn der Körper erst wieder in den Lauf- und Trainingsrhythmus finden muss. Vor allem muskulär. Wichtig ist, jetzt nichts zu überstürzen und trotz der Euphorie, sich langsam vorzuarbeiten. Also ist wieder Geduld gefragt. Hendrik: „Sich langsam an das alte Level zurück tasten.“
Natürlich lassen sich die vergangenen Monate nicht so einfach vergessen. Es ist eine Erfahrung, die Hendrik noch lange mit sich schleppen wird. Die Sorge, wieder gesundheitliche Probleme zu bekommen, wird ihn noch auf vielen Kilometern begleiten. Aber das hilft ihm, achtsam zu bleiben. Sofern es dann läuft und Hendrik Schritt für Schritt seine kleinen Erfolge erzielen kann, wird er auch diese Zeit meistern.
Hauptsache gesund und schmerzfrei laufen, der Rest ergibt sich von selbst.
Er weiß, was er kann und auch wir wissen, welches Potential in dem jungen Marathoni steckt. Wir dürfen also gespannt sein, welche Leistungen der 23. Jährige in den nächsten Monaten auf den Asphalt bringt.
Wir wünschen dir dafür die nötige Geduld, Ausdauer und natürlich Gesundheit. Die Zielstrebigkeit und den Kampfgeist brauchen wir nicht zu wünschen, denn beißen kannst du – ich sage nur dein Marathon-Debüt in Düsseldorf.
Genau solche Momente wünschen wir dir! So wie auch du dich nach einem ebenwürdigen Comeback sehnst! Sportlich und menschlich hast du es dir mehr als verdient. Allein das Abtreten deines Startplatzes für die Olympischen Spiele an deinen Kontrahenten Julian Flügel zeigten diese Menschlichkeit und Sportlichkeit.
Also, weiter so Hendrik. Deine Zeit war und kommt!