Wir möchten euch gern einen Sportler der besonderen Art vorstellen. Ein Sportler, welcher nicht auf der großen Bühne des Sports wie Olympia, Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften zu finden ist. Ein Sportler, der ein Stück weit das Extreme sucht, aber Gleichzeitig beim Ötztaler Radmarathon mit Platz 4. in diesem Jahr für gehörig Aufmerksamkeit sorgte. Robert Petzold, Jahrgang 1988, Masterstudent der Geophysik, Wohnort Dresden, Weltrekordhalter fährt seit 8 Jahren ambitioniert Fahrrad und hat insbesondere in den letzten 2 Jahren für gehörige Aufmerksamkeit gesorgt. Erfahrt mehr von Robert im Larasch – Monatsinterview!
Larasch.de: Hallo Robert. Beginnen möchte ich direkt mit deinem erfolgreichen Weltrekordversuch in Holzhau. Insgesamt absolviertest du in 24 Stunden 156 Aufstiege auf einer 1,4 km langen Runde und einer akkumulierten Gesamthöhenmeter Anzahl von 22.622hm. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Robert: Von dem Rekord wusste ich seit 2010. Damals stellte Christoph Fuhrbach mit 21086 hm eine neue Bestmarke auf. Beeindruckend. Zu dem Zeitpunkt war ich selbst aber noch weit davon entfernt, diesen Rekord anzugehen. Realistisch erschien es mir erst im letzten Jahr, nachdem ich das Race across the Alps mit 530 und 14000 hm gewinnen konnte.
Larasch.de: Seit wann existierte dieses Vorhaben und warum ausgerechnet in Holzhau?
Robert: Auf der Suche nach einer geeigneten Rekordstrecke, kam die Bergstraße in Holzhau schnell in die engere Auswahl. Sie war mir durch Trainingsfahrten um Freiberg bereits bestens bekannt. Recht steil, keine Kurven in der Abfahrt, wo man nicht unnötig bremsen muss und Geschwindigkeit verliert, das waren gute Argumente für Holzhau. Außerdem war die Gemeinde von meinem Vorhaben ganz begeistert, wodurch die Entscheidung für Holzhau letztlich nicht schwer fiel. Im Herbst 2015 wurde aus der Idee schließlich ein konkretes Projekt und die Organisation begann.
Larasch.de: Wie hast du dich speziell darauf vorbereitet? Du hast ja 5 Wochen vorher deinen Titel beim „Race Across The Alps“ erfolgreich verteidigt. Wie ist prinzipiell deine Trainingsphilosphie? Ausreichend Ruhephasen im Winter?
Robert: Training hat in erster Linie viel mit Konseqzenz zu tun. Das Training fängt ja nicht erst ein paar Monate vor dem Saisonhöhepunkt an. Ich fahre mittlerweile seit 8 Jahren Rennrad und habe mir ein gutes Niveau erarbeitet. Die Umfänge nahmen in den letzten Jahren stetig zu. Mittlerweile sind es 20 000 Kilometer, die ich im Jahr fahre. Wirklich trainingsfreie Tage sind selten. Durch strukturiertes Training konnte ich in den letzten Jahren auch noch einiges heraus holen. Radtraining mache ich das ganze Jahr über. In der Saison aber deutlich mehr, im Winter weniger, da stehen mit Schwimmen, Laufen, Skifahren auch Alternativsporten auf dem Programm und die Einheiten sind kürzer. Auf STRAVA veröffentliche ich mein komplettes Training. In Vorbereitung auf die Saisonhöhepunkte auch meine Trainingspläne auf der Homepage, wenn ich es zeitlich schaffe. Da kann jeder sehen, was ich mache.
Larasch: Wie hältst du dich gesund? Achtest du bewusst auf deine Ernährung?
Robert: Training ist nur ein Baustein. Lebensweise, Ernährung sind andere wichtige Punkte. Besonders bei hoher Trainingsbelastung achte ich auf gute Regeneration. Ich versuche auf 8 Stunden Schlaf zu kommen und ab und zu auch einen Mittagsschlaf einzulegen. Wichtig ist mir eine natürliche Ernährung mit viel Obst, Gemüse und unverarbeiteten Lebensmitteln. Nahrungsergänzungsmitteln kann ich nichts abgewinnen. Alkohol mag ich auch nicht und an 360 Tagen im Jahr verzichte ich auf koffeinhaltige Getränke wie Kaffee oder Cola. Das ist gut, um Signale des Körpers zu hören und sich z.B. Ruhe zu gönnen, wenn sie der Körper fordert.
Larasch.de: In deinen Artikeln auf deiner Homepage ist häufig von „Schweineplempe“ die Rede. Wie genau ist hierfür die Zusammensetzung? Wie bist du auf dieses Gemisch gekommen?
Robert: Schweineplempe ist mein Wettkampfgetränk, dass ich auschließlich in Rennen und bei einigen wenigen langen Trainingsfahrten zu mir nehme. Die Zusammensetzung ist simpel. Wasser, Maltodextrin, Fruktose und eine Prise Salz. Das alles mische ich selber zusammen. In der Turboplempe ist mittlerweile auch Schwarzer Tee drin. Das sind dann die 5 bis 6 Tage im Jahr, wo ich Koffein zu mir nehme und was dann auch in geringeren Dosen schon gut wirkt. An den Mischungsverhältnisen der Kohlenhydrate habe ich die letzten Jahre experimentiert. In Holzhau habe ich jede Stunde 60 g Malto und 25 g Fructose aufgenommen. Das hat gut geklappt, kann ich aber sicher noch ein bisschen verfeinern.
Larasch.de: Wer schreibt deine Trainingspläne?
Robert: Die schreibe ich mir selber. Das grobe Konzept für die Saison steht im Januar und dann schreibe ich meist wöchentlich im Voraus die Pläne. Wenn man das entsprechende Wissen über Trainingsmethodiken hat, vorallem diszipliniert genug ist, stellt das für mich, in Verbindung mit einem ausgeprägten Körpergefühl, sicher die beste Trainingsvariante dar.
Larasch.de: Wie hast du dir dieses Wissen angeeignet?
Robert: Beigebracht habe ich mir das theoretische Wissen selbst. Praxis ist aber nochmal etwas anderes. Viele individuelle Rahmenbedingungen sind zu beachten, die durch den Alltag gegeben sind, vorallem dann, wenn der Sport im Leben nicht oberste Priorität hat. Aber da hatte ich in den letzten Jahren genug Zeit um Erfahrung zu sammeln. Mittlerweile trainiere ich auch eine handvoll andere Athleten aus meinem Petz Racing Team, die dieses Jahr allesamt beachtliche Erfolge erzielen konnten.
Larasch.de: Du sagst von dir das du aktuell eine Leistung von 5,5 Watt/pro Kilogramm hast, die du während des Berganstiegrennens vom tschechischen Ort Krupka zum Mückentürmschen (Erzgebirge) in 18:03min aufstelltest. Damit fehlen dir laut deiner Aussage ca. 10% zu einem Grand Tour Sieger. Würdest du sagen, dass es mit diesem Niveau eine Profikarriere möglich ist? Wie viel Erholung ist notwendig, um diese Leistung zu wiederholen?
Robert: Im Mai, wo immer das Bergzeitfahren in Krupka stattfindet, bin ich noch nicht in Topform und noch ein paar Kilos schwerer als im austrainierten Zustand. In guter Form sollten die 5,5 W/kg auch über 40 bis 60 min zu halten sein, wobei ich sehr von meinem geringen Gewicht profitiere. In Holzhau habe ich 59 kg gewogen und hatte mutmaßlich eine Schwellenleistung/FTP von 330 Watt. Zum Ötzi waren es wieder über 60 kg und etwa 320 bis 325 Watt Schwellenleistung. Ein paar Prozente haben am Berg also gefehlt.
Ganz davon abgesehen, das bei einer Grand Tour neben der reinen Leistung noch ganz andere Fähigkeiten erforderlich sind, müsste ich über 6 W/kg über einen längeren Zeitraum treten können, um bei Topprofis mitzuhalten. An den 10% Leistungsunterschied knabber ich noch fleißig. Die Fortschritte werden aber immer kleiner und an die 6 W/kg werde ich wohl auch in Zukunft nicht ganz heran kommen. Letztlich bleiben es auch alles Zahlenspiele. Was im Profifeld gehen würde, sehe ich nur wenn ich dort mitfahren könnte. Ich hoffe, dass ich es schaffe im nächsten Jahr bei der deutschen Bergmeisterschaft in der Lizenzklasse ins Rennen zu gehen.
Larasch.de: Du distanzierst dich sehr deutlich von der Dopingproblematik im Radsport. Wie bewertest du aktuell die Szene, vor allem im ambitionierten Hobby- bzw. Semiprofibereich, wo du mit deinen Erfolgen beim „Race Across The Alps“ oder beim diesjährigen Ötztaler Radmarathon zur absoluten Spitze gehörst? Ist dir bei deinen erfolgreichen Teilnahmen an verschiedenen Rennen schon Skepsis gekommen bzw. entgegen gekommen (Stichwort Rennverlauf Ötztaler Radmarathon)? Gab es schon andere Unangenehme Situationen/Begebenheiten? Was hältst du vom gegenwärtigen Profisport?
Robert: Ich bewerte die komplette Szene kritisch. Besonders die ganz schnellen müssen sich immer der Diskussion stellen. Ich finde es gut, wenn man auch mir Misstrauen entgegen bringt und dann einen konstruktiven Dialog eröffnet. Wer nichts zu verbergen hat, kann auch offen reden. Den Dopinggeneralverdach haben wir nicht den Zuschauern oder Kritikern zu verdanken, die pauschal jede gute Leistung in Veruf bringen, sondern einer ausgeprägten Dopingkultur gegen die viel zu wenig unternommen wird. Das sollte sich jeder Athlet, der von der Präsenz des Dopingthemas genervt ist, mal vor Augen halten.
Larasch.de: Lässt sich aus deiner Sicht das Dopingproblem lösen? Hättest du konkrete Vorschläge?
Robert: Die ultimative Lösung habe ich auch nicht. Dopingkontrollen bei Wettkämpfen wie dem Ötztaler Radmarathon wären zwar wünschenswert, aber auch die werden das Problem nicht lösen, sondern nur etwas eindämmen und die dümmsten Betrüger aufliegen lassen. Ansonsten bleibt mir nur, das Thema immer wieder anzusprechen und damit offen umzugehen und bestmögliche Transparenz zu gewähren. Für Dopingbetrüger wünsche ich mir lebenslange Sperren bei Erstbetrug. Das schreckt zum einen ab und ist zum anderen auch wirklich sinnvoll. Denn von Doping kann man jahrelang profitieren.
Larasch.de: Mit deinem Projekt Petz Racing – Team möchtest du besonders die Leidenschaft Radfahren als auch das faire und ehrliche Miteinander in den Mittelpunkt rücken. Das ist ein deutliches Zeichen! Wie ist die Zusammensetzung des Teams? Welchen Leistungsgedanken steckt dahinter? Wie bist du auf die Idee gekommen, ein solches Projekt zu starten? Wie sind aktuell die Rahmenbedingungen für dich im Team (Mechaniker, Material, Zeit usw.?)
Robert: Auf die Idee bin ich letztes Jahr gekommen, wo in mir der Gedanke reifte, den 24h Rekord anzugehen und ich mich in Zukunft am liebsten in Vollzeit mit dem Radsport beschäftigen möchte. Ein eigenes Team zu haben, was meine Philosophie vertritt, ist eine super Möglichkeit der Präsentation. Das ganze soll aber nicht nur einseitig zu meinem Vorteil sein. Ich glaube wir haben dieses Jahr zusammen sehr viele schöne Erlebnise gehabt, die wir miteinander teilen konnten. Holzhau, wo ein ganzes Team 24 Stunden lang geschlossen hinter mir stand, war sicher das absolute Highlight. Für das erste Jahr hat das Team die Erwartungen übertroffen und das mache ich nicht nur am sportlichen Erfolg fest. Mit dem großen Interesse am Projekt hätte ich zu Beginn nicht gerechnet. Wenn ich in Dresden die rosa-schwarzen Trikots sehe, freue ich mich immer wieder. Ich möchte aber auch nichts überstürzen und das Team soll eher langsam wachsen. Im Team bin ich der einzigste, der sich wirklich professionellen Strukturen unterwirft, alle anderen sollen das als Spaß sehen und auch weiterhin den Radsport als Hobby und Leidenschaft betrachten. Für ausgewählte, ambitionierte Sportler im Team werde ich auch in Zukunft öffentlich einsehbare Trainingspläne schreiben und sie auf Wettkämpfe vorbereiten.
Larasch.de: Du hast es geschafft, deinen Traum zu verwirklichen und dich „Vollzeit“ mit Radsport zu beschäftigen, wenn auch nicht mit den gleichen Strukturen eines Profiteams. Wie erfolgt die Finanzierung des Projektes und wie lang ist diese sichergestellt? (Du kannst hier gern direkt die Sponsoren nennen!)
Robert: Naja, noch habe ich es nicht wirklich geschafft. Ich bin mitten drin, mir ein Umfeld aufzubauen, indem ich ausreichend Geld zum Leben verdienen kann und wo ich mich Vollzeit mit dem Radsport beschäftige. Ich bin noch Student, lebe ziemlich bescheiden, derzeit etwa auf Hartz 4 Niveau, ich jammere nicht, nage auch nicht am Hungertuch und habe ein paar finanzielle Rücklagen, sodass ich keinen finanziellen Druck habe und mittelfristig ziemlich unabhängig agieren kann. Das ist gerade eine wunderbare Zeit. Wenig Geld haben, aber viel Spielraum zum ausprobieren besitzen.
Larasch.de: Wie laufen die Planungen fürs nächste Jahr?
Robert: Wie ich mich finanziell für das nächste Jahr aufstelle, wird gerade geplant. Dazu möchte ich derzeit nichts konkretes sagen. Letztlich ist es ein Abwägen. Möchte man als Sportler oder Team mit Sponsoren sein Unterhalt verdienen und dafür Eigenständigkeit und Unabhängigkeit abgeben oder lieber selbst im Bereich der Radbranche arbeiten, z.B. indem man eine Dienstleistung anbietet, dafür weniger Zeit zum trainieren hat, aber auch ein größeres Maß an Unabhängigkeit behält. Zweitere Variante scheint mir gerade etwas reizvoller, wobei letztlich eine Mischung aus beiden heraus kommen wird. Bei Sponsoren ist es mir demzufolge sehr wichtig, dass diese hinter mir stehen und ich diese Firmen mit Überzeugung vertreten kann. Es wird eh schon viel geheuchelt im Profisport. Darauf habe ich wenig Bock.
Larasch.de: Dein Ziel ist es im Selbstversuch herauszufinden, wo deine körperlichen Limits liegen. Zudem schreibst du in einem deiner Berichte, dass 24h Belastung absolut ausreichend sind und du „gern schneller werden möchtest als mental weiter abzustumpfen um bspw. das Race Across America oder ähnliche Rennen zu überstehen.“ Was sind deine nächsten Ziele? Schielst du in Richtung eines Radklassikers oder sogar der Tour de France? Welche Highlights stehen in diesem Jahr bzw. im nächsten Jahr für dich an?
Robert: Ja, ich möchte in erster Linie wissen, wie weit mein Körper noch trainierbar ist. Das treibt mich an. Für mich hat das in erster Linie etwas mit schneller werden zu tun, weniger mit der Bewältigung von immer längeren Distanzen. Das ist dann mehr Kopfsache. Die Leistungszuwächse waren dieses Jahr schon deutlich geringer als in den Vorjahren, aber selbst im achten Radsportjahr, bin ich noch nicht austrainiert und habe noch viele Jahre vor mir, wo es weiter aufwärts gehen sollte, besonders im Marathonbereich. Dort wird wohl auch in Zukunft mein Fokus liegen. 2017 möchte ich noch einmal das Race across the Alps gewinnen und dann gut vorbereitet beim Ötztaler Radmarathon auf Sieg fahren. Ob es irgendwann nochmal verrückte Aktionen, wie einen Weltrekordversuch geben wird, steht in den Sternen.
Larasch.de: Zu guter letzt die Frage, du wohnst in Dresden und hast im sächsischen Freiberg studiert. Was ist deine absolute Lieblingsradrunde bzw. dein Lieblingsanstieg. Welche Strecke würdest du dem Hobbyradfahrer wärmstens empfehlen, damit sich ein Ausflug in Erzgebirge lohnt?
Robert: Ich fahr sehr gerne jegliche Südhanganstiege im tschechischen Erzgebirge. Da sind die Berge etwas länger als auf deutscher Seite und super zum trainieren geeignet. Aber auch der Erzgebirskamm vom Hohen Schneeberg über den Fichtelberg bis ins Vogtland ist immer wieder einen Ausflug wert und bietet schöne Landschaften bei wenig Verkehr. Hier kann man gut abschalten. Es fällt mir aber echt schwer, eine konkrete Routenempfehlung zu nennen. Wer einen schönen Radtag mit Rundumversorgung erleben will und dazu ein perfekt organisierten Marathon fahren möchte, dem empfehle ich den Krušnoton Radmarathon, der im August stattfindet. Die drei Strecken, 110, 180 oder 250 km sind landschaftlich allesamt sehr empfehlenswert.
Lieber Robert, wir bedanken uns bei dir für dieses Interview. Viel Erfolg dir weiterhin! Bleib gesund und behalte deinen Spaß am Sport!
Fotos: Frank Bienenwald, Arno Burgi, Manuel Wirth