Es ist vielleicht nicht die beste meiner Ideen gewesen, über ein Thema zu schreiben, von dem ich selbst nicht zu viel Ahnung habe. Und das im Vorhinein auch noch zugzugeben.
Es ist vielleicht auch nicht die beste meiner Ideen gewesen, über ein Thema zu schreiben, von dem man eigentlich gar nichts schreiben soll. Über Geld spricht man nicht, Geld hat man. Letzteres ist bei mir aber nicht der Fall, ich muss also wohl oder übel Ersteres tun.
Ich will dafür ein bisschen weiter ausholen. Wir springen zurück zum vergangenen Mittwoch: Es ist acht Uhr abends und ich sitze auf meinem Fahrrad, bepackt mit einer vollgetopften Sporttasche. Ich friere, bin hungrig, will nach Hause, meine Beine sind müde vom Training. Das Einzige, was mich in diesem Moment motiviert, noch stärker in die Pedale zu treten, sind die Spätzle mit Pilzsauce, die in der Küche auf mich warten. Aber bis dahin sind es noch drei Kilometer.
Eine Strecke, die sich ziehen kann bei minus 10 Grad. Und eine Strecke, auf der mir an diesem Tag erstaunlich viele Läufer entgegenkommen. Die einen schneller, die anderen langsamer. Die einen mit Hund, die anderen mit Stirnlampe. Sie haben sich alle noch zur Abendzeit, bei Dunkelheit und dieser Schweinekälte aufgemacht, um ihre Runde zu drehen. Ich bewundere jeden Einzelnen von ihnen.
Warum? Sie machen das einfach so. Für sich. Für keinen Preis, keine Belohnung. Sie bekommen höchstens Blasen an den Füßen, Muskelkater und vielleicht wenigstens später ein besseres Gefühl, wenn sie auf der Couch beherzt in die Chipstüte greifen.
Aber genau so muss es sein. So muss Sport sein. Er soll aus Leidenschaft, aus Freude an der Bewegung, oder zumindest aus eigener Motivation heraus ausgeübt werden.
Sicherlich geht es im Sport auch darum, an eigene Grenzen zu gehen, sich zu messen, besser sein zu wollen als die anderen. Das ist der Wettkampfgedanke. Aber ich kann auch nur dann meine Leistung abrufen, wenn ich tatsächlich den Willen dazu habe. Und nicht, weil mir irgendjemand was dafür versprochen hat. Nicht, weil irgendwas dabei für mich rausspringt.
Klingt ziemlich romantisch, oder? Denn wo entspricht denn das bitte noch der Realität? Ja vermutlich noch nicht mal bei meinen Läuferbegegnungen am Mittwochabend. Die sind vielleicht auch nur rausgegangen, um den restlichen Weihnachtsspeck abzutrainieren, um gute Vorsätze zumindest für einen Monat einzuhalten oder weil man beim Gassi gehen mit dem Hund noch mehr friert, als wenn man gleich läuft. Sieht man sich dann aber im ambitionierteren Breitensport um – ich sage noch nicht einmal Leistungs- oder gar Profisport – fällt noch stärker auf, dass da ganz andere Dinge entscheidend sind als nur ein intrinsisches Bedürfnis nach Bewegung.
Es ist ja kaum zu übersehen: Überall werden Athleten von Firmen angeworben, gesponsert, sollen ihr Logo gut sichtbar tragen. Mal ein kleiner Facebook-Post hier, ein Instagram-Foto da, das wirkt. Dazu muss man nicht Weltmeister sein.
Fast jeder, der sich öffentlich auf irgendeine Weise als „Läufer“ präsentiert, macht sich zur Werbefläche für Unternehmen, Marken und Produkte. Er wird zur laufenden Litfaßsäule. Ob nun gewollt oder nicht. Denn selbst wenn ich gar nicht die Absicht verfolge, ein Label besonders hervorzuheben – sobald auch nur ein paar hundert Leute mein Bild im Internet gesehen haben, auf dem ich diese oder jene Klamotten trage, hat das schon einen Effekt. Der sich bei echten Profiathleten selbstverständlich noch mehrfach potenziert.
Davon wollen Unternehmen natürlich profitieren. Sie können die Vorbildwirkung, das Image, den Erfolg eines Sportlers gut für eigenes Marketing nutzen. Aus Verhandlungen gehen Kooperationen hervor, Verträge werden abgeschlossen, man unterschreibt, verpflichtet sich. So richtige Geschäftsleute, diese Athleten.
Aber warum machen die das? Sie stellen Logos zur Schau, präsentieren bestimmte Produkte oder werden Teil von Werbekampagnen. Sie lassen sich kaufen. Machen sich zu Marketing-Sklaven, verpflichten sie sich am Ende vielleicht dazu, für etwas einzustehen, wovon sie gar nicht hundert Prozent überzeugt sind. Und das alles nur für Geld? Geht da nicht der Sportgeist verloren?
Ich kann diese Frage am besten aus meiner ganz persönlichen Perspektive beantworten. Ich bin Studentin ohne festes Einkommen, trainiere täglich und arbeite nebenher noch ein bisschen als Journalistin. Damit ist meine Woche dann schon ziemlich durchgeplant, Zeit für einen geregelten Job bleibt jedenfalls nicht. Wovon soll ich also leben? Der Sport, verbunden mit Training, Wettkämpfen, Reisen ins Trainingslager, Schuh- und Kleidungskosten ist für mich ja keine Einnahmequelle, sondern eindeutig ein Minusgeschäft.
Sporthilfe, geschweige denn finanzielle Unterstützung des Verbands, zum Beispiel für Trainingslager oder Physiotherapie, habe ich jedenfalls bisher noch nicht bekommen. Da bin ich doch heilfroh um jede Hilfe, die sich mir bietet. Es ist ja auch nicht so, dass Sponsoren an jeder Ecke lauern und ich mich vor Angeboten nicht mehr retten könnte. Bekomme ich also das Angebot für Unterstützung, bin ich doch dankbar. Eine helfende Hand, die mir entgegengestreckt wird, wehre ich doch nicht sofort ab.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Dinge, die ich nicht machen würde. Zum Beispiel wenn ich mich mit einem potenziellen Partner überhaupt nicht identifizieren könnte. Übertriebenes Beispiel gefällig? Als Vegetarierin würde ich mich wohl kaum von einem Schlachthof oder einer Metzgerei sponsern lassen.
Denn da gibt es ja auch noch die andere Seite der Medaille: Sponsoren machen auch nichts umsonst. Sie haben ebenfalls gewisse Erwartungen. Dessen muss man sich bewusst sein. Die Kooperation mit ihnen und das, was von mir als Gegenleistung für finanzielle oder materielle Unterstützung erwartet wird, sagt nämlich auch etwas über mich als Persönlichkeit aus. Ich werde mit der Marke in Verbindung gebracht. Das geschieht zwangsläufig.
Und natürlich können Sponsoren durchaus Macht auf ihre Sportler ausüben. Das muss nicht mal im bedrohlichen Sinne verstanden werden – sie sind nur meistens in der stärkeren Position als der Athlet.
Wie weit darf das gehen? Soll ich mir von einem Sponsor diktieren lassen, was ich wann zu tragen und zu sagen habe? Wie ich mich zu verhalten habe? Meine absolute Loyalität verlangen?
Das muss jeder Athlet selbst entscheiden. Ich habe mir auch die Frage gestellt: Wie ernst werde ich genommen, wenn gerade als Journalistin meine unabhängige Meinung gefragt ist? Denn eigentlich sollte der Sport und in meinem Fall auch die Berichterstattung darüber, vor allem eins sein: Objektiv und fair. Ab wann trifft das nicht mehr zu? Wo liegen die Grenzen?
Dass das gar nicht so einfach zu bestimmen ist, haben wir bei larasch.de in jüngster Zeit durchaus zu spüren bekommen. Berichterstattungen, Artikeln oder Projekten wurde zum Vorwurf gemacht, sie seien gekauft, von Sponsorenseite beeinflusst. Leser reagierten teils irritiert, teils polemisch, teils auch verärgert. Alles nur noch sposored by? Geld regiert die Welt?
Eins steht mit Sicherheit fest: Texte, die mit dem Ziel geschrieben wurden, nicht offensichtlich, aber dafür umso offensiver ein Produkt oder eine Marke positiv hervorzuheben, gehören nicht in ein Portal, das sich Transparenz und die primäre Orientierung an den Bedürfnissen der Athleten auf die Segel schreibt. Aber gerade der zweite Punkt beinhaltet ja auch die Sorge um das finanzielle Auskommen der Sportler. Denn dass die Existenzsicherung nicht nur als Profi, sondern auch als Halbprofi nicht gerade einfach ist, habe ich schon am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Wenn mir dann jemand helfend zur Seite steht, mir finanziell unter die Arme greift, überzeugt mich das ja auch irgendwie von ihm. Das rechtfertigt doch zumindest ein vorteilhaftes Bild in der Öffentlichkeit. Wo endet aber diese Form der positiven Kritik und wo beginnt gewollte Inszenierung?
Das kann vermutlich niemand genau beantworten. Niemand der beteiligten Athleten auf Larasch.de kommt ohne finanzielle Hilfe aus. Dass Leistungssport wie wir ihn betreiben, nicht wie eine 40-Stunden-Woche belohnt wird, ist kein Geheimnis. Hier müssen wie überall Sponsoren ran, Unterstützer, Partner, die uns den Rücken stärken. Nur gemeinsam kann das kompensiert werden, was dem Sport momentan von staatlicher Seite und von Seiten der Verbände fehlt: Ein verlässliches und sicheres System, das Spitzensportlern ein sicheres Auskommen ermöglicht. Gerade wenn sie nicht nebenbei arbeiten, sondern noch in Studium oder Ausbildung stecken und noch gar kein Geld verdienen. So wie es bei mir derzeit der Fall ist.
Aber bin ich dann noch glaubwürdig? Oder ist damit alles an mir in eine subjektive, nicht mehr authentische Ecke gerückt? Einen Menschen, ob Breitensportler oder Vollprofi, macht ja glücklicherweise noch mehr aus als nur die Schuhe, die er trägt, der Refresher, den er trinkt oder die Uhr, mit der er seine Kilometer-Splits stoppt.
Ob ich nun auf materieller Seite Unterstützung erfahre, hat ja noch keinerlei Auswirkung auf meinen Charakter. Und auch mit meiner Leidenschaft zum Sport hat das nichts zu tun. Würde ich nicht aufhören zu laufen, wenn mir ab morgen jede Hilfe aufgekündigt würde? Würde ich deswegen alles hinschmeißen? Darauf darf es nur eine Antwort geben: Nein.
Geld hin oder her. Zuerst muss die innere Motivation da sein, der eigene Wille, die Freude am Sport. Und die ist unabhängig davon, ob dabei noch was rausspringt, oder nicht. Nicht finanzielle Aspekte sollen die primäre Motivation des Athleten sein. Dann doch lieber das Einhalten von guten Vorsätzen zumindest für den ersten Monat des Jahres, das Abtrainieren des letzten Weihnachtsspecks oder in meinem Fall die Spätzle mit Pilzsauce, die nach dem Training in der Küche warten.
Und eine letzte Sache darf man bei all dem nicht vergessen: Es gibt ja auch solche Unterstützer, die niemals beim Namen genannt werden. Die es gar nicht darauf anlegen, positiv herausgehoben zu werden. Die für mich da sind, einfach so. Die in mir nicht nur einen Körper sehen, der Leistungen erbringt, sondern vor allem: Franzi.
Das sind meine Trainer, meine Familie, meine Freunde. Sie stehen mir mit Rat und Tat zur Seite. Und erwarten dafür nichts. Vielleicht mal ein klitzekleines bisschen Dankbarkeit, das war‘s. Müsste ich den Namen von ihnen allen als Gegenleistung auf dem Trikot tragen – es gäbe gar kein Platz mehr für irgendein Logo. Denn obwohl ich erst zwanzig Jahre alt bin und noch nicht mal auf eine großartige Karriere zurückschauen kann, war ich vom ersten Tag, an dem ich mit dem Sport begonnen habe, schon sowas von sponsored – und zwar by Mami und Papi.