Langstreckenläufer sind bekanntlich häufig schlanke „Persönchen“, mit dünner Muskulatur und einem geringen Körperfettgehalt. Dies hat natürlich Vorteile, so muss wenig Gewicht „mitgeschleppt“ werden und weniger Muskelmasse verbraucht auch weniger Energie. Doch hat das seine Grenzen, was ich an meinem eigenen Beispiel veranschaulichen möchte.
Ich bin mittlerweile 29 Jahre alt und seit vielen Jahren leidenschaftlicher Läufer. Meine aktuellen Bestzeiten auf den Strecken von 10km bis zum Marathon lief ich in den Jahren 2012 bis 2014. An die Zeiten im Bereich von 10km bis Halbmarathon würde ich gerne in der (nahen) Zukunft wieder herankommen und auch die eine oder andere neue Bestzeit aufstellen. Im Winter 2015/’16 erlitt ich einen Rückschlag in Form eines Ermüdungsbruchs im linken Wadenbein. Wie es dazu kam und wie ich mich bis heute zurückgekämpft habe, möchte ich in der Folge kurz erzählen und dabei auch die Ernährung bzw. den Energiehaushalt mit in den Fokus rücken.
Diagnose Stressfraktur
Nach einer Tempoeinheit auf der Hallenbahn mit recht engen, steilen Kurven Anfang Dezember spürte ich Schmerzen im linken Knöchel. Nachdem ich den Orthopäden aufgesucht hatte und unvernünftiger Weise weiter gelaufen bin (sogar noch zwei Wettkämpfe), hatte ich am 22. 12. 2015 einen MRT-Termin. In den Jahren 2012 und 2013 stand MRT bei mir noch für Marathon-Renntempo. Nun also Magnet-Resonanz-Tomographie. Direkt nach der MRT sagte der Arzt mir bereits, dass eine Fraktur im Wadenbein (Fibula) zu erkennen ist. Am nächsten Tag dann die Therapie-Besprechung beim Orthopäden.
Ich bekam einen „Langschaft-Walker“, damit mein linkes Sprunggelank für sechs Wochen ruhigggestellt wird und die Fraktur verheilt. Für die Nacht (hier trug ich nur eine kleine Schiene) und zum Duschen nahm ich den Walker ab, ansonsten begleitete er mich durch den Alltag. Also kein bisschen Laufen im Januar. Zunächst nur Krafttraining, nach einer Weile dann auch alternatives Ausdauer-Training in Form von Crosstrainer und Fahrradergometer. Im Februar folgte der langsame Wiedereinstieg ins Laufen, wobei der Anteil an alternativem Training noch ziemlich hoch war (sein musste).
Schwieriger Wiedereinstieg
Da die passiven Strukturen wie die Kapsel im Bereich des linken Sprunggelenks durch die lange Ruhigstellung nicht mehr so leistungsfähig waren, bereitete mir mein linker Knöchel immer wieder Probleme, sobald ich die Laufstrecken etwas gesteigert hatte. So konnte ich auch im März und im April noch keine hohen Umfänge laufen. Zu den Problemen am linken Sprunggelenk kamen zeitweise Schmerzen im linken Kleinzehen-Grundgelenk sowie im rechten Piriformis (Gesäß-Muskel). Wie das so ist: wenn eine Struktur noch etwas Probleme bereitet, weicht man unbewusst vom normalen Bewegungsmuster ab und dies führt zu Schmerzen an anderen Körper-Stellen.
Auch im Mai konnte ich nicht problemlos durchtrainieren; meinen ersten ernsthaften 10er, den ich für Freitag, den 13. geplant hatte, habe ich abgesagt. Erst Ende Mai lief ich meinen ersten ernsthaften Wettkampf, nach einem „Trainings-Wettkampf“ am 1. Mai, bei dem ich die 10km nur in 33:50 min gelaufen war (2. Platz). Doch bei diesem genau vermessenen, flachen 10km-Waldlauf in Berlin-Grünau kam ich noch nicht über 32:48 min hinaus (3. Platz). Acht Tage später dann in Ratekau bei Lübeck auf einem nicht ganz leichten Straßenlauf und bei Hitze auch nur 32:53 min (erneut Platz 3).
Nach einem Rennen, das ich sogar gewinnen konnte, allerdings in dürftigen 32:24 min, sowie einem Pacemaker-Einsatz beim hella Halbmarathon in Hamburg, hatte ich Ende Juni/Anfang Juli wohl endlich ein Niveau von 32:00 min oder knapp darunter. Genau überprüft habe ich das nicht; schließlich startete ich am 3. Juli bei einem „10er“ in Berlin, der allerdings eindeutig zu kurz war. Hier lief ich jedoch im Alleingang vorneweg, nur mit dem Führungs-Radfahrer vor mir, ein ziemlich gleichmäßiges Tempo. Die erste der vier Runden in 7:40 min; die folgenden drei Runden allesamt in 7:39 min. Das war immerhin ein erfreuliches Ergebnis für mich.
Herbstvorbeitung und der „Lauf in die Energielosigkeit“
Am 11.7. begann meine richtige Vorbereitung für den September. Am 11.9. stand schließlich die 10km-Straßenlauf-DM in Hamburg an, wo mein Verein mit einem Team am Start stehen würde. Außerdem wollte ich eine Woche später bei einem internationlen 10-Meilen-Rennen starten. Mein Projekt lautete „31:00’/51:00’“ (oder eigentlich „sub31’/sub51′ 😉 ). Die ersten Wochen verlief das Training erfolgversprechend und am 30.7. lief ich bei der Berliner Citynacht 31:40 min über 10km, trotz eines zu schnellen Anfangstempos, das die zweite Rennhälfte ziemlich schwer werden ließ. Ich sah mich soweit auf einem guten Weg.
Doch irgendwann im August war ich nur noch platt. Ich denke nicht, dass ich mein Training unvernünftig, mit zu wenig Erholungsphasen, geplant habe. Aber zusammen mit meinem neuen (Teilzeit-) Job, dem ich seit Mitte Juli nachgehe und der teilweise auch körperlich anstrengend ist, war die Belastung einfach recht hoch. Und ich habe in der Zeit einfach zu wenig gegessen. Ich wiege mit 54 kg bei 1,76 m ziemlich wenig, jedoch ist dieses geringe Gewicht für einen schlanken Läufer mit dünner, ausdauertrainierter Muskulatur und einem für ambitionierte Läufer üblichen, relativ geringen Körperfettgehalt für mich noch vertretbar. Schließlich habe ich in den vergangenen Jahren immer so wenig auf die Waage gebracht, habe mich wohl gefühlt und war zumeist leistungsfähig, zumindest im Rahmen meiner Möglichkeiten.
Im August und Anfang September wog ich zumeist allerdings nur noch knapp über 52 kg und hatte, wie eine Messung ergab, nur noch 4% Körperfett. So war es rückblickend nicht verwunderlich, dass ich deutlich länger gebraucht habe, um mich von härteren Trainingseinheiten zu erholen, dauernd müde und schlapp war und meine Leistungsfähigkeit zurückging, anstatt dass der Formaufbau wie geplant Richtung 10 km-DM weiter voranschreitet. Mitte August lief ich einen 10er in 31:59 min, wäre aber gerne eine halbe Minute schneller gewesen. In der Folge habe ich die eine oder andere Tempo-Einheit abgebrochen und lief bei einem weiteren 10er Anfang September sogar deutlich über 32 Minuten. Und das obwohl ich zwei Wochen lang nicht gearbeitet habe und mich auf das Training konzentrieren konnte. Entsprechend saß der Frust tief, so kurze Zeit vor der Deutschen Meisterschaft. Für die Mannschaft wollte ich natürlich trotzdem in Hamburg an den Start gehen und mein Bestes geben, doch ich musste auch irgendwie reagieren, um meine Formkurve wieder ansteigen zu lassen. Neben den niedrigen Hämoglobin- und Hämatokritwerten, die für eine Eisenmangelanämie stehen, war wie erwähnt mein Energiehaushalt einfach „im Keller“. Auch schon die Stressfraktur Ende 2015 ist sicherlich in erster Linie hierauf zurückzuführen. Neben einer Eisen-Supplementierung kommt hier also die generelle Ernährung ins Spiel.
Einfach „Kalorien futtern“!
An dieser Stelle heißt es nämlich nicht unbedingt, sich um „gesunde“, mikronährstoffreiche Lebensmittel zu kümmern, wie es in vorherigen Ernährungsartikeln an dieser Stelle empfohlen wurde, sondern einfach zu „futtern“, also ausreichend Kalorien zuzuführen, was für einen Leistungssportler mit das Wichtigste ist. Ist der Körperfettgehalt zu gering, kann es zu einer verminderten Bildung der Geschlechtshormone wie Östrogen und Testosteron im Körper der Athletinnen und Athleten kommen (Mountjoy et al, 2015). Dies hat eine mangelhafte Regeneration sowie eine schlechtere Umsetzung der Trainingsreize zur Folge; schließlich ist der Stoffwechsel „auf Sparflamme“. Außerdem ist die Knochenmineralisierung verschlechtert, was letztendlich bei hohen Belastungen auch zu Ermüdungsbrüchen führen kann.
Übrigens haben die Ostafrikaner uns gegenüber wohl einen kleinen Vorteil. Schwarzafrikaner weisen genetisch bedingt eine höhere Calcium-Einlagerung in die Knochen auf als „Kaukasier“, als weiße Europäer (Redmond et al, 2015). Somit dürften sie bei dünner schlanker Muskulatur wohl ein geringeres Risiko für Stressfrakturen haben als Europäer, die also mehr auf kräftigere schützende Muskeln angewiesen sind, um hohe Laufumfänge problemlos zu verkraften. Auf jeden Fall sollten Athletinnen und Athleten generell auf ihren Energiehaushalt achten; Körpergewicht und -fettgehalt sollten eine kritische Grenze nicht unterschreiten, ansonsten überwiegen die Nachteile und man fühlt sich nicht mehr wohl. In meinem Fall heißt das: in den nächsten Wochen ausreichend essen, häufiger auf eine positive Energiebilanz kommen, um zumindest 1-2 kg zuzunehmen. Also auch ausreichend frühstücken, den Fettgehalt in der Ernährung nicht zu gering halten. Ich ernähre mich generell eher kohlenhydratbetont und fettarm; viele fettreiche Speisen schmecken mir auch gar nicht so gut und ich verdaue sie häufig nicht so gut. Doch mit fettarmer Ernährung ist es häufig nicht einfach, einen hohen Kalorienbedarf zu decken; schließlich liefert Fett pro Gramm mehr als doppelt so viel Energie wie Kohlenhydrate oder Eiweiß. Also süße, aber fettarme Speisen wie Bananen oder mache Backwaren einfach mit Erdnussbutter bestreichen, Schokolade essen (bevorzugt dunkle, aber auch mal die süßere) und bei Käsesorten doch eher die fettreicheren Varianten bevorzugen, etc. Eventuell mehrere kleinere Mahlzeiten, um den Magen nicht zu sehr zu belasten, also Zwischensnacks bewusst einbauen.
Ich denke und hoffe, dass ich wieder auf den Weg zu meiner alten Leistungsfähigkeit zurückfinde und kann nur allen Läuferinnen und Läufern, die mit ihrem Körpergewicht am unteren Limit sind, raten, darauf zu achten, dass dieses untere Limit möglichst nicht unterschritten wird!
Mountjoy M, Sundgot-Borgen J, Burke L, Carter S, Constantini N, Lebrun C, Meyer N, Sherman R, Steffen K, Budgett R, Ljungqvist A: Authors’ 2015 additions to the IOC consensus statement: Relative Energy Deficiency in Sport (RED-S) Br J Sports Med 2015;49:417-420
Redmond J, Palla L, Yan L, Jarjou LM, Prentice A, Schoenmakers I: Ethnic differences in urinary calcium and phosphate excretion between Gambian and British older adults. Osteoporos Int, 2015 Mar;26(3):1125-35