Einmal im Leben will jeder Triathlet nach Roth, nirgends ist die Stimmung besser, keine Strecke ist schneller. Bei den Frauen wurden die vier schnellsten jemals erzielten Zeiten bei einer Langdistanz in Roth aufgestellt. An der Spitze steht seit 2011 unangefochten Chrissie Wellington mit ihren 8:18:13 Stunden. Bei den Männern hat zuletzt Jan Frodeno 2016 mit 7:35:39 Stunden einen Fabelweltrekord aufgestellt und sich anschließend in Hawaii zum Weltmeister gekrönt.
Nun, was hat das alles mit mir zu tun? Ich bin schließlich kein Triathlet. ABER ich komme aus Roth, kann ganz gut laufen und natürlich lässt auch mich die Stimmung am Streckenrand Jahr für Jahr nicht kalt. Deshalb will ich schon lange einmal zumindest in der Staffel starten. Aber wie das als Läufer eben so ist, hat es bisher nie in den Trainingsplan gepasst und auch dieses Jahr wird es wieder nichts, da ich mich gerade auf die Marathon-Europameisterschaft in Berlin vorbereite.
Damit ich aber trotzdem irgendwie dabei sein kann, habe ich es mir nicht nehmen lassen, die brandneue Challenge-Laufstrecke 2018 vorab als Longrun zu tracken und meine Einschätzung als Coach und Läufer an alle interessierten Challenge Starter weiterzugeben.
Dazu habe ich mit dem Garmin Forerunner935 die wahrscheinlich meistverbreitete Triathlon/Multisport-Uhr verwendet, die dank barometrischen Höhenmesser ein korrektes Streckenprofil liefert.
Das ist auch gleich die Überleitung zur ersten guten Nachricht: Die Strecke ist flach und weist gerade einmal 71m positiven Höhenunterschied auf. Nach der Wechselzone geht es wie immer kurz durch die Senke unter der Brücke hindurch und dann hoch zur Lände, zum ersten großen Hotspot. Anschließend pendelt man brettleben (brettleben = südd. Var. von „absolut flach“, Anm. d. Red. 🙂 ) einmal zwischen den altbekannten Schleusen Haimpfarrich und Schwand am Main-Donau-Kanal – und schon sind 25km geschafft. Die zweite gute Nachricht ist, dass der unter Roth-Veteranen ungeliebte Anstieg an der Schleuse Schwand weiterhin ausgespart wird, indem man bereits kurz vorher wendet. Wer auf dem ersten Streckenabschnitt die Nerven behält, kann also richtig Reserven sparen.
Die dritte gute Nachricht: Auf dem Weg zur Powerzone bei Kilometer 31 am Rother Marktplatz ist die Strecke bis auf den knackigen, aber kurzen Anstieg zurück unter der Brücke durch tendenziell abfallend, sodass man es fast schon rollen lassen kann. Ja ich weiß, das kann nur ein Läufer sagen, der noch nie zuvor 180km Rad gefahren ist 🙂 – und trotzdem ist das allemal leichter als bergauf zu rennen. Was ich damit sagen will ist, dass einem das leichte Gefälle zu diesem Zeitpunkt motorisch sehr entgegen kommt, weil man einfach flüssig laufen kann, ohne viel Kraft zu investieren. Trotzdem rate ich jedem dazu, sich in diesem Abschnitt nicht dazu verleiten zu lassen, den Druck zu erhöhen und dadurch zu überpacen, sondern besser Kräfte zu sparen. Ihr werdet sie brauchen, denn bei Kilometer 33 fand auch mein Spaß zumindest kurzzeitig ein jähes Ende: Auf den folgenden beiden Kilometern durch den Wald nach Büchenbach gilt es nämlich 35 Höhenmeter zu bewältigen. Zudem ist es auf diesem Abschnitt häufig drückend schwül. Das ist zwar ein ganz schöner Brocken zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt im Rennen, aber wann passt einem so ein Berg schon wirklich rein? Ich persönlich finde es so eigentlich gut gelöst: Man hat 33 Kilometer mehr oder weniger seine Ruhe und muss dann für zwei Kilometer in den sauren Apfel beißen. Im neuen Stimmungsnest in Büchenbach wird man dafür mit Gänsehautstimmung für den Aufstieg entlohnt, ehe es wieder zurück nach Roth geht. Tja und jetzt könnte ich wieder etwas von laufen lassen schreiben, aber 35m Höhendifferenz wieder runter bereiten bei Kilometer 37 selbst einem Marathonläufer im Wettkampfmodus dann keine Freude mehr: Die Oberschenkel werden kurzzeitig einer Zerreißprobe unerzogen. Im letzten Jahr musste dieses schwere Teilstück noch zweimal durchlaufen werden und hat vielen Teilnehmern schwer zugesetzt. Ich bin der Meinung, mit der Entscheidung 2018 diese Schleife nur noch einmal zu laufen, wurde ein sehr guter Kompromiss gefunden, es muss ja noch ein bisschen anspruchsvoll bleiben – heißt ja schließlich „Challenge“.
Zurück in Roth trägt einen das Publikum über die harten 600m Kopfsteinpflaster den Marktplatz hinauf und dann ist es nicht mehr weit zum Zieleinlauf. Genau genommen ist es sogar etwas kürzer als erwartet, denn ja, die Strecke misst nur ca. 41,5km. Als Läufer muss ich ganz klar sagen, ein Marathon ist genau 42,195km lang und wird vorab zweifach amtlich vermessen. Die Differenz liegt jedoch absolut im Triathlon üblichen Toleranzbereich und geht somit voll in Ordnung. Im Triathlon dreht sich eben nicht alles, wie im professionellen Laufsport darum, unter Laborbedingungen à la Nike Project Breaking 2 mit Pacemakern und Windschutzschild die schnellste mögliche Zeit zu erzielen, sondern um den einsamen Kampf von Mann oder Frau mit einer sehr langen Strecke und selten optimalen klimatischen Verhältnissen. Findige Tüftler haben trotzdem eine Website auf die Beine gestellt, die sämtliche Langdistanzen auf der Welt mit ihren individuellen Streckenprofilen vergleichbar macht. Grundlage ist jeweils Hawaii. Hier geht es zur Homepage.
Mein Fazit: Die Strecke ist sehr schnell, nicht nur weil am Ende ein paar Meter fehlen. Wer geduldig bleibt und taktisch klug läuft, wird für den schweren Teil noch genügend Körner übrig haben. Es sind sicher die zahlreichen Stimmungsnester mit viel Engagement der Einheimischen, die Roth so einzigartig machen und für das familiäre Flair sorgen. …wenn´s einfach wäre, würde es Fußball heißen 😉
Aktivität bei Garmin Connect:
https://connect.garmin.com/modern/activity/2766034678
relive Streckenvideo:
https://www.relive.cc/view/g21466672411