Im Vergleich zum Marathonläufer: Wie fit sind Fußballer wirklich?

Laufen ist evolutiv gesehen die natürlichste Sportart überhaupt. Bereits seit den antiken Olympischen Spielen im alten Griechenland existieren verschiedene Laufwettkämpfe. Der berühmteste Lauf der Weltgeschichte war ein Botenlauf aus jener Zeit, der von Athen in die Stadt Marathon führte und eine Strecke von mehr als 40 Kilometer umfasste: Der Marathonlauf war geboren, bis heute von Millionen von Menschen auf allen Kontinenten der Erde imitiert und als Königsdisziplin der Langstrecke akzeptiert.
Das Klischee vom „faulen Fußballspieler“
Der Marathon setzt einen hohen Fitnesslevel voraus, doch auch der Sprint hat es in sich: Höchstgeschwindigkeiten auf Kurzstrecke werden nur durch beharrliches Training möglich, dabei zählt nicht nur eine hohe Kraftentwicklung in kürzester Zeit, sondern auch die sogenannte Sprintausdauer. Schließlich darf es bis ins Ziel möglichst keinen Geschwindigkeitsabfall geben und das ist auch bei „nur“ 100 Metern eine Herausforderung. Die Fitness eines Läufers lässt sich mit der Stoppuhr messen, nur auf höchstem Level sind Bestzeiten machbar. Die sportliche Leistung eines Fußballspielers ist nicht auf dieselbe schlichte Weise bewertbar, gerade deshalb kursieren immer wieder Gerüchte, dass die Profis der Soccer-Szenen in Wirklichkeit nicht besonders fit, sondern vielmehr richtig faul seien. Ausdauertraining gehört, wenn man der Boulevardpresse Glauben schenkt, nicht gerade zu ihren Lieblingsdisziplinen im Training – lieber wird ein bisschen herumgekickt und höchstens zwischendurch mal schnell zum Ball gesprintet. In der Läuferszene haben sich diese Klischees teilweise verhärtet, oftmals besteht die Ansicht, dass Fußballer mit echten Ausdauerläufer sportlich gesehen nicht mithalten können. Wie viel ist „dran“ an diesem Vorurteil?
Profi-Fußballer laufen mehr als gedacht
Profi-Fußballer laufen nach neuesten Untersuchungen mehr als gedacht. Während einer Top-Partie in der Königsklasse, zum Beispiel FC Bayern gegen Tottenham Hotspur, legt ein Mittelfeldspieler durchschnittlich etwa zehn Kilometer Wegstrecke zurück. Vier Kilometer davon finden im Jogging-Tempo statt, zwei Kilometer im schnellen Tempo und etwa 900 Meter im Sprint. Hinzu kommen zwei Kilometer im Vorwärtsgehen und 600 Meter im Rückwärtsgang. Das klingt nicht nur reichlich sportlich, sondern zeigt auch die enorme Flexibilität, die ein erfolgreicher Fußballer auf dem Platz mitbringen muss. Man stelle sich einen Marathonläufer vor, der zwischendurch immer wieder maximal beschleunigt und streckenweise sogar rückwärts rennt. Ein Fußballer, der aufgrund seiner Spielposition einen hohen läuferischen Einsatz bringen muss, absolviert ein hochkarätiges Intervalltraining. Aktive Mittelfeldspieler und offensiv orientierte Verteidiger dürfen also alles andere als „faul“ sein, sondern ganz im Gegenteil: Sie sind aus sportlicher Sicht mit (fast) allen Wassern gewaschen.
Trainingsniveau eines Marathonläufers
Ein Hobby-Marathonläufer macht sich selten ein Bild von den komplexen Anforderungen, die ein Fußballer auf internationalem Parkett erfüllen muss. Er sieht hauptsächlich seinen eigenen, harten Einsatz und die langwierigen Vorbereitungen, die zu der derzeitigen Leistung führten. Ein medizinisch gesunder Anfänger benötigt mindestens ein Jahr (besser zwei Jahre) eifrigen Trainings, um einen Marathon überhaupt absolvieren zu können. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Neuling eine besonders aufsehenerregende Zeit laufen wird, sondern nur, dass er es schafft, ganz gut durchzuhalten. Zu Anfang stehen mindestens 30 bis 40 Kilometer Strecke pro Woche auf dem Plan, außerdem benötigt der Trainierende eine ausgewogene, geeignete Ernährung und genug Schlaf. Das eigentliche Marathontraining beinhaltet 50 bis 80 Kilometer je Woche. 12 Wochen vor dem Wettkampftag sollte der Sportler es gewohnt sein, zweieinhalb Stunden am Stück zu laufen. Darum fangen normalerweise vor dem großen Tag die Longjog-Aufbauwochen an, die das Trainingsniveau immer weiter anheben.
Top-Fußballer laufen die 10 km in 35 Minuten
Vor diesem Hintergrund erscheint es verständlich, dass echte Langstreckenläufer, die ihren Sport ernstnehmen, dazu neigen, den Fitness-Level eines Fußballers zu unterschätzen. Dass ein Top-Mittelfeldspieler die 10-Kilometerstrecke in weniger 35 Minuten absolvieren könnte, steht ihnen nicht direkt vor Augen. Schließlich sind die Weltklasse-Ballkünstler eher selten gezwungen, diese spezielle Leistung zu bringen, sie gehört normalerweise auch nicht zu ihrem Trainingsplan. Schon 2001 stellte Prof. Kindermann an der Universität Saarbrücken fest, dass Premium-Fußballer in Sachen Ausdauer dieselbe Leistung bringen, die ein international erfolgreicher 400-Meter-Läufer vorweisen muss. Der passende Mix aus Schnelligkeit und Ausdauer ist hüben wie drüben entscheidend, um zu den Besten der Besten zu gehören. Während der Läufer aber „nur“ nach den genannten beiden Kriterien strebt, muss der Fußballer auch noch perfekt mit dem Ball umgehen können, strategisch denken und stets flexibel bleiben– nicht nur bezüglich seiner körperlichen Bewegungen, sondern auch im Kopf. Den Läufer hingegen zieht es stets geradeaus oder in die Runde, Ablenkungen sind nicht gewünscht.

Ausdauer ist eher antrainierbar als Schnelligkeit
In den unteren Fußball-Ligen neigen die Sportler laut Kindermanns Untersuchungen dazu, fehlende Schnelligkeit durch erhöhte Ausdauer wettzumachen. Das liegt daran, dass Schnelligkeit stark in den Genen verankert ist und Ausdauer eher antrainierbar. Die weltbekannten Profis besitzen beides und gehören deshalb der Königsklasse an. Sie sollten allerdings besser die 400 Meter in einer Zeit von unter 50 Sekunden laufen als den oben genannten 10-Kilometer-Ausdauertest zu bestehen – das kommt ihrem speziellen Sport viel mehr zugute. Und: Es ist von großem Nutzen, wenn die Ballarbeit im Training immer mit Ausdauerübungen verknüpft wird, das macht die Sache besonders realistisch.
Wir hoffen, das Vorurteil über den faulen Profi-Fußballer hiermit aus dem Weg geräumt zu haben. Erfolgreiche National- und Bundesligaspieler müssen extrem fit sein und das funktioniert nicht ohne hartes, vielschichtiges Training.