Und weiter geht’s in der Serie „Spitzensportreform? So denken die Athleten darüber!“ Wir geben unseren Spitzensportlern in diesen Tagen die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die geplante Spitzensportreform einzuklinken und ihre Ansichten und Optimierungsvorschläge bezüglich Leistungssport, Sportförderung und Nachwuchsarbeit mit uns zu teilen. Die Hintergründe dieser Diskussion haben wir bereits in einem vorigen Beitrag dargelegt und möchten jetzt, durch das Einbeziehen der Athleten als auch Trainer, näher auf die Problematik eingehen. Denn auch die Trainer sind ein nicht zu vernachlässigender Faktor in der sportlichen Entwicklung eines Athleten.
Nach Hendrik Pfeiffer, Franzi Reng, Philipp Pflieger, Maya Rehberg und Carsten Eich, lassen wir heute das starke Duo aus dem Marathoni Julian Flügel und seinem Trainer Jürgen Stephan zu Wort kommen.
Jürgen Stephan alias „Steppke“ ist nun seit gut 14 Jahren der Trainer von Julian Flügel. Neben leidenschaftlichem Ehrgeiz seitens des Sportlers, ist auch der Austausch zwischen Trainer und Sportler maßgeblich. Vertrauen und Kontinuität, wie es das Verhältnis der beiden auszeichnet, sind ein entscheidender Grundstein im leistungsorientierten Training.
Larasch: Was würdet ihr am jetzigen System im Leistungssport verändern wollen?
Steppke: Unser Staat – Regierung oder besser das Innenministerium, das ja für den Sport zuständig ist, sollte endlich erkennen, wie viel Sozialarbeit im Sport allgemein steckt. Es ist eine Schande, dass unser reiches Deutschland nur 176 ?????? Millionen für den Leistungssport übrig hat, gleichzeitig aber immer mehr oder nur Medaillen fordert. Bei vernünftiger Unterstützung und Wertschätzung jener Sozialarbeit, trägt sich diese in die weiteren Bereiche des Sports – wie Nachwuchs-, Gesundheits- und auch Seniorensport.
Larasch: Kann man von der Sportförderung seinen Alltag finanzieren?
Julian: Finanzieren kann ich von der Sportförderung gar nichts. Ich habe bis zu diesem Jahr keinen einzigen Cent bekommen. Seit Olympia bekomme ich ein „Taschengeld“ von 200 Euro pro Monat.
Steppke: Wenn ein Olympiakader-Athlet (wie Julian) bisher NULL finanzielle Unterstützung vom Verband bekommen hat, seine Leistung teilweise in Frage stellt, frage ich mich als ehrenamtlicher Trainer, wie soll ich andere junge Sportler für unseren Laufsport motivieren? Übrigens hat sich die „Sporthilfe“ wenige Wochen vor Rio gemeldet – ich denke, allein um ihre Bilanzen zu schönen.
Larasch: Wie würde eine optimale Sportförderung aussehen/was müsste sie beinhalten?
Julian: Man müsste die Förderung in Deutschland komplett neu aufbauen, sodass Sportler tatsächlich zum Karrierehöhepunkt hin gefördert werden. Nicht erst dann, wenn man es schon an die Spitze geschafft hat. Das britische Modell könnte ein gutes Vorbild sein. Die Fördermittel müssten drastisch erhöht werden, sonst wird sich Deutschland in den Olympischen Kernsportarten nicht mit den Besten messen können. Das Beispiel Großbritannien zeigt wie gesagt sehr gut, was mit intelligenter Förderung möglich ist. Zur Finanzierung nutzt man dort staatliche Lotterieeinnahmen und die Förderung beträgt ein Vielfaches der Deutschen Summe. Das Ergebnis sieht man im Medaillenspiegel ab 2012.
Larasch: Wie nah liegen Fordern und Fördern noch beieinander?
Julian: Man hat den Eindruck, dass immer weniger gefördert und immer mehr gefordert wird. Alle vier Jahre werden mehr Medaillen bei Olympia gefordert, die Förderung allerdings wird eher zurückgefahren.
Larasch: Was bedeutet das für den Nachwuchs?
Julian: Als Nachwuchssportler muss man sich natürlich überlegen, ob man seinen Lebensunterhalt mit dem Sport bestreiten kann. Das wird man in der Leichtathletik leider fast in jedem Fall verneinen müssen. Daher gibt es auch kaum jemanden, der sich für eine Profilaufbahn entscheidet.
Larasch: Was bedeutet Sport heutzutage? Darf sich Leidenschaft entfalten oder muss sie sich hinten anstellen?
Steppke: Dass große Thema Leidenschaft sehe ich allmählich immer mehr schwinden, unentgeltliche Trainer gibt es kaum noch. Die alt herkömmliche Leidenschaft ist kaum noch in unseren Vereinen vorzufinden. Um Leidenschaft auf Sportler zu übertragen, braucht es leidenschaftliche Trainer. Aber was ist in unserem Staat der Trainer („Sozialarbeiter“) schon wert?
Wir danken euch beiden für das Gespräch und den Beweis dafür, wie wertvoll ein langjähriger Austausch zwischen Athlet und Trainer ist. An dieser Stelle ein besonderes Dankeschön an Steppke, der das Vertrauen in seine Schützlinge setzt, sie ohne große Gegenleistung an die Hand nimmt und auf dem teils sehr schwierigen Weg unterstützt sowie eine vertraute Rückendeckung gewährleistet. Ein starkes Team wie Julian und Steppke es sind, sollten wir uns als Beispiel nehmen und eine solche Partnerschaft in Zukunft auch für andere Athleten fördern. U.a., indem wir die Arbeit, die Sportler und Trainer der Leistung widmen, entsprechen honorieren.